Die schnelle Achse:

Viele potentielle Unimog-Käufer achten schon bei Kauf auf die viel gerühmte schnelle Achse, die den ach so langsamen Karren in ein schnelles Reisefahrzeug verwandeln soll.
Leider ist die Sache, wie immer, nicht ganz so einfach. Vom Unimog 1300L gab es praktisch nur zwei Versionen, nämlich schnelle Achse (23:9) mit langsamen Motor (OM366) und langsame Achse mit schnellem Motor (OM352). Am Ende sind die erzielten Höchstgeschwindigkeiten in etwa gleich. Die Fahrzeuge mit dem hoch drehenden OM352 und schneller Achse sind sehr begehrt und daher selten zu haben. Die Fahrzeuge mit dem niedrig drehenden OM366 und der schnellen Achse werden wegen der späteren Baujahre und anderer Weiterentwicklungen ebenfalls bevorzugt. Seit dem Kauf unseres Unimogs, arbeitete ich an diversen Ideen, die Drehzahl auf langen Autobahnfahrten zu reduzieren, denn schneller fahren wollte ich nicht unbedingt. Die Hauptmotivation war Senkung des Geräuschpegels und die Entlastung des stets am Anschlag brüllenden Motors.
Im Prinzip gibt es mehrere Möglichkeiten einen Unimog in dieser Richtung zu modifizieren. Die einfachste Methode bleibt wohl die Änderung der Vorgelegeübersetzung. Leider ist der Effekt einer Verlängerung der Übersetzung von 27:13 auf 27:14 äußerst gering und man muss mit Exotenteilen herum fahren. Das kommt nicht in Frage.
Dann gibt es natürlich noch das viel gerühmte Splitgetriebe, welches das Umschalten zwischen einer Übersetzung von 1 und 1,21 ermöglicht. Sicher eine Lösung des Drehzahl-Problems. Zusätzlich entstehen eine Menge Zwischen-Gänge, die den Vortrieb dieses notorisch untermotorisierten Fahrzeugs merklich erhöhen. Das ist nicht zu verachten und lässt den Unimog vor Allem bei Bergfahrten schneller vorankommen. Das Diagramm welches später die Idealschubdifferenz beschreiben wird, macht dies klar. Trotzdem zögere ich aus den folgenden Gründen mir das Ding anzuschaffen.
So ein Unimog hat aufgrund seines komplexen Antriebstranges eine Menge Zahnräder zu drehen. Eine solche Kraftübertragung ist keineswegs verlustfrei und daher kommen nur noch etwa 75% der Wellenleistung des Motors an der Hinterachse des Fahrzeugs an. Ich finde da muss nicht noch ein weiteres Räderpaar dazwischen und noch mehr wertvolle und knappe Motorleistung in Wärme verwandeln. Das Splitgetriebe benötigt außerdem einen Druckluftanschluss und einen Schalter sowie eine gekürzte und stärker geknickte Antriebswelle. Es ist dafür bekannt heiß zu werden und rasselt im Leerlauf ganz furchtbar. Auch passte der zusätzliche Brocken, der wiegt, kaputt gehen kann, einen eigenen Ölhaushalt mit Simmeringen erfordert und bedient werden will, nicht in mein antikomplexes Fahrzeugkonzept. Als ich jedoch eine Werbeanzeige eines Splitgetriebes mit dem Titel: "Lacking Power, feel like missing a gear?" las, da hatte das Teil endgültig verloren auch wenn die Anbieter da goldrichtig liegen. Zu so einem offenen Zugeständnis war ich dann doch nicht bereit und irgendwie erinnerte das an eine Werbeanzeige mit dem Titel: "Need to enlarge your p...s?"
Kurzum ich plante die Achsübersetzung von 22:7 auf 23:9 ändern. Dabei rechne ich auch mit einem infolge der niedrigeren Reisedrehzahl mit einem kühleren Hauptgetriebe. Neben dem Vorteil der Reduktion der Drehzahlen im Getriebe bei unserer gewohnten Reisegeschwindigkeit und dem Wegfallen von Zusatzkomponenten, hat dies selbstverständlich auch Nachteile, denn eine rein positive Modifikation ist niemals und auf gar keinem Fall möglich. So ändert sich mit dem Umbau, neben der Übersetzung an sich, auch die Spreizung der Gänge, was zu einem anderen Fahrverhalten führen wird. Die Annahme "Ach ich hole mir einen weiteren Gang am oberen Ende und verliere eben einen unten. Dann fahre ich im Vergleich zu früher eben ein Gang tiefer und alles ist wie immer" ist leider nicht richtig. Um mir die Angelegenheit mit der Spreizung und den anderen Veränderungen klar zu machen, erstellte ich zunächst folgendes Diagramm. Es beschreibt den verfügbaren Vortrieb bei der jeweiligen Geschwindigkeit in den verschiedenen Fahrstufen des Getriebes.

Die schwarzen Kurven zeigen die Standardübersetzung und die roten Kurven zeigen die geplante "lange" Übersetzung. Sofort fällt auf, dass die Mercedes Ingenieure eigentlich ganze Arbeit bei der Auslegung des Antriebsstranges gemacht haben. Links oben ist der maximale Vortrieb im ersten Gang zu erkennen, die Krümmung der Kennlinie entsteht durch die Überhöhung des Volllast-Drehmomentes. Um bei höchstzulässigem Gesamtgewicht 100% steigfähig zu sein, benötigt der Unimog eine Vortriebskraft von 7,5 Tonnen durch Wurzelauszwei, also 5300 Kilopond. Im ersten Gang reicht der Vortrieb in der herkömmlichen Ausführung, nämlich 22:7, demnach aus. Mit der "langen Achse" verliert der Unimog mit unserer Motorisierung diese Fähigkeit, die für mich ein ganz zentraler Bestandteil der Offroad-Tauglichkeit eines Unimogs ist. Allerdings wiegt unser Ullimog derzeit reisefertig nur 5,5 Tonnen, wodurch er die 100% Steigungen auch mit der Achsübersetzung 23:9 bewältigen wird. Um dies eindeutig zu klären versuchte ich mich mit dem derzeitigen 22:7 Ullimog mehrfach im zweiten Gang an 100% Steigungen. Selbst hier reichte das Drehmoment des Motors knapp aus. Sogar das Anfahren bei 45° Steigung im zweiten Gang war möglich. Dieser Punkt wäre also abgeschlossen.
Aber die Getriebeleute bei DB hatten noch mehr gute Ideen. So ist es mit der Achsübersetzung 22:7 und dem Getriebe mit der Bezeichnung UG3/40-717.901 möglich, in der Ebene im fünften Gang anzufahren. Gewöhnlich fuhr ich unseren Unimog im 3 Gang Modus, nämlich 5-7-8. Dadurch entfällt das pneumatische Schalten beim Wechsel in die oberen Schaltgassen. Durchaus ein Komfortaspekt, der bei dem Umbau auf 23:9 vermutlich verloren gehen wird. Es zeigt sich, das ursprünglich Konzept ist keineswegs mangelhaft und jede Veränderung birgt weitere Probleme, derer man sich bewusst sein sollte.
Das primäre Ziel, die Senkung der Autobahn-Reisedrehzahl und das sekundäre Ziel, die Erhöhung der maximalen Geschwindigkeit werden zwar erreicht, aber das Ganze hat seinen Preis. Die höhere Spreizung jeder einzelnen Fahrstufe ist eine logische Konsequenz. Selbstverständlich verliere ich durch diese Verlängerung der Gesamtübersetzung in gleichem Maße max. Achsdrehmoment, wie ich max. Achsdrehzahl gewinne. Jeder Gang deckt aber nun zusätzlich ein größeres Geschwindigkeitsband ab und in meinem gewohnten Bereich geht Vortrieb damit unwiederbringlich verloren. Dies wird offensichtlich, wenn man die Idealvortriebskennlinie, in der Abbildung (hellblau) betrachtet. Diese Linie beschreibt den Vortrieb, der unter den besten Voraussetzungen wirken könnte. Der Motor kann nun einmal nicht immer seine maximale Leistung abgeben, da er durch die einzelnen Fahrstufen und Geschwindigkeiten in Drehzahlbänder gezwungen wird, die dies verhindern. Hätte der Unimog ein stufenloses Automatikgetriebe mit 100% Wirkungsgrad, so könnte man sich stets auf der Idealschubkurve bewegen. Stellt man nun dieses Diagramm nun doppellogarithmisch dar, leuchten die Auswirkungen der Übersetzungsanpassung ein.

In diesem Diagramm erscheint die Idealschubkurve als Gerade. Jeder Änderung der Gesamtübersetzung, ob Reifengröße, Vorgelegepaarung oder Achsantriebsverhältnis bewirkt eine Verschiebung der Vortriebskurven entlang dieser Idealschubgeraden. Die Fläche zwischen der jeweiligen Vortriebskurve und dieser hellblauen Geraden ist ein Maß für die Unzulänglichkeit meines Antriebsstranges. Je weiter ich von Ihr entfernt bin, desto mehr Vortrieb verliere ich. Zudem fällt auf, dass die Vortriebskurven in dieser Darstellung Ihre Form behalten und tatsächlich nur eine Verschiebung erfahren. Die integrierte Idealschubdifferenz, also die Summe aller Flächen zwischen Vortrieb und Idealschub sowie die Größe der einzelnen Flächen bleibt mit der "langen Achse" konstant. Sie verschiebt sich aber stets zu den schlechteren Vortriebswerten und das ist der entscheidende Punkt. Dieser Vortrieb ist für immer verloren und kann auch mit einer anderen Fahrstufe nicht mehr kompensiert werden.
Einen Ausweg bietet hier das bereits erwähnte Splitgetriebe. Zufällig entspricht dessen Zahnradpaarung relativ genau der hier besprochenen Übersetzungsverlängerung, nämlich einem Plus von rund 20% . Es bestünde mit dem "Splitter" somit die Möglichkeit, im Betrieb jeweils zwischen "schwarz" und "rot" umzuschalten. Damit reduziert sich die integrierte Idealschubdifferenz. Beide Kennlinien eignen sich also auch zur Beschreibung der Auswirkung eines solchen Zwischengetriebes. Allerdings wird im Vergleich der beiden möglichen Maßnahmen auch deutlich; fährt der Unimog zwischen 65km/h und 80km/h, was in der Praxis häufig vorkommt, so bietet das Splitgetriebe gegenüber der langen Achse keinen Vorteil. Erst über 80 km/h kann sich der "Splitterfahrer" etwa 10% seines Drehmomentes zurückholen. Bei richtigen Steigungen sieht das besser aus, der Vorteil beschränkt sich hier jedoch auf maximal 20% bei den entsprechenden Gangwechseln (2-3 und 6-7). In der Praxis wird er im Schnitt deutlich kleiner ausfallen.
Bei allem Optimismus zeigen die bisher gezeigten Diagramme noch nicht, was sich in Sachen Durchzug im richtigen Leben ändern wird. Eine logarithmische Darstellung, ist dabei, zumindest in meinem Fall, nur eingeschränkt aufschlussreich. Die größten Auswirkungen der höheren Spreizung und der geringeren Übersetzung werden sich definitiv im oberen Geschwindigkeitsbereich zeigen. Folglich beschränkt sie die folgende Betrachtung auf die höchsten beiden Fahrstufen. Dabei beschreibt die schwarze Kurve meinen "22:7 Alltag", die rote Kurve ist "23 :9 Neuland". Selbstverständlich fehlten bei aller Aufdröselung bislang die Verluste der einzelnen Getriebe, was beim Unimog keineswegs irrelevant ist. Getriebeverluste sind komplex und verhalten sich ganz unterschiedlich. Im wesentlichen sind diese jedoch proportional zu der übertragenen Leistung und äußern sich durch Drehmomentreduzierung. Da reagieren auch Stirnradstufen, Hypoidgetriebe, Planetengetriebe und Schaltgetriebe mit mehreren Wellen jeweils unterschiedlich. Daher möchte ich die kombinierten Getriebeverluste, wie gesagt, rein linear betrachten. Ich sah bereits mehrere Ergebnisse von Unimogs auf Leistungsprüfständen und da betrug die Hinterradleistung bei unserem Typ noch 74 KW bei Höchstdrehzahl. Solche Daten sind mit großer Vorsicht zu betrachten, denn hier spielen eine Menge anderer Einflüsse eine Große Rolle. Für die folgenden Diagramme nehme ich einen leistungsabhängigen Getriebeverlust von 25% bei Höchstdrehzahl an.

Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht. Die dick gezeichneten Kurven beschreiben somit die tatsächlich vorliegende Situation. Als verfügbarer Vortriebsüberschuss ist jeweils nur der senkrechte Abstand zu der gestrichelten Kurve, dem Luftwiderstand, zu werten. Nur diesen kann man nutzen und nur dieser zeigt sich im Fahrbetrieb und nur dieser ist spürbar und beschleunigt das Fahrzeug. Selbstverständlich ist eine genaue Berechnung der Aerodynamik ohne Windkanal nicht möglich, da der genaue cw-Wert nicht bekannt ist. Er wird aber definitiv zwischen 3/4 und 1 liegen und damit ist dennoch eines unstrittig: Der spürbare Durchzug wird deutlich mehr leiden, als er es aufgrund des Übersetzungsbedingten Vortriebsverlustes müsste. Mit der alten Übersetzung fuhr der Ullimog knapp 90 km/h. Fahre ich diese gewohnte Geschwindigkeit nun mit der neuen Übersetzung, dreht der Motor etwas niedriger und bei einem höheren Drehmoment. In dieser Situation verliere ich etwa 10 % Vortrieb. Das klingt erst einmal gar nicht so schlecht. Betrachte ich nun auch den Luftwiderstand und die Getriebeverluste, so reduziert sich mein verfügbarer Vortrieb tatsächlich um rund 30%. Das ist schon eine Hausnummer. Bei 105km/h entspricht der Vortrieb dann dem Luftwiderstand. Also kenne ich so auch die neue Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs, die nun nicht mehr der Drehzahlbegrenzer in der Einspritzpumpe, sondern der aerodynamische Nachlauf hinter dem Ullimog bestimmt.
Abhilfe würde hier ein Turbolader schaffen, aber damit beginnt nur die nie endende Hatz nach Leistung, worauf ich mich erst gar nicht einlassen möchte. Nebenbei würden 25%, nämlich der Drehmomentzugewinn durch den Lader, aufgrund der bereits beschriebenen Zusammenhänge, zu "gefühlt" weit mehr Vortrieb führen. Ein Irrtum dem wohl einige Tuner erliegen.
Und die 500 PS, die so ein Unimog bräuchte um auf dem Asphalt mit einem Trabi oder einer Ente mitzuhalten sind in dieser Angelegenheit doch einigermaßen Perspektivefrei. Daran muss ich immer denken wenn jemand von "richtig Power" beim Unimog spricht. Er ist und bleibt eine Landmaschine, ein Kaltblut, ein Traktor mit gefederten Achsen. Vielleicht sollte man da auch lieber nicht in die Übersetzung eingreifen.


Und in einem solchen Fall wende ich mich prinzipiell an meine Frau. Ich erklärte Ulli den Sachverhalt und da sie eine Ingeniöse ist, bringt sie das notwendige Naturwissenschaftliche Verständnis mit um die Zusammenhänge zu kapieren. Ich betonte besonders die zu erwartende, geringere Geräuschemission bei unserer gewohnten Reisegeschwindigkeit.
"Ach das ist mir eigentlich egal, aber wenn Du so Lust auf die Schraubaktion hast, dann mach es doch". Tatsächlich ein weiteres Argument, welches ich mir bisher nicht eingestanden habe. Womöglich habe ich es auch erfolgreich ignoriert. In der Tat handelt es sich hier um eine sehr klassische und schöne Arbeit an lauter coolen Maschinenbauteilen. Da spanne ich mir ein weißes Tuch auf die Werkbank und putze alle Brocken schön sauber und stelle sie der Reihe nach auf. Im Werkstatthandbuch wird eine abgefahrene Prozedur mit Arbeitsblatt und diversen Rechnereinen und unzähligen Sonderwerkzeugen beschrieben. Das begeisterte mich. Die Rechnungen möchte ich verstehen und mit Kreativität und Improvisation möchte ich ganz ohne Sonderwerkzeuge auskommen. Damit würde mir diese Schraubaktion endlich den Platz im Unimog-Himmel sichern. Spätestens nach der Tragbildanalyse beim Ausdistanzieren des Kegeltriebes gehöre ich dazu und rechtfertige endgültig auch Schrauber-technisch meinen Unimog-Besitz. Die Profis aus der Mercedes-Werkstatt werden mich künftig nicht mehr als dünnarmigen Heimwerksakademiker auslachen und auch im Unimurr-Forum würde ich zu den "Ausdistanzierten" gehören. Abschließend haben die Achsen jetzt 34 Jahre auf dem Buckel. Da steht eine Grundüberholung ohnehin an. Ich möchte mich auf unseren Reisen doch auf die Teile verlassen können und dabei habe ich einfach das beste Gefühl, wenn ich es selber gemacht habe. Die Getriebeöltemperatur, die auf langen Autobahnfahrten und der damit verbundenen hohen Drehzahlen schon mal 100°C betrug, wird aufgrund meiner Erfahrungen deutlich sinken. Somit ist genügend Schönredematerial zusammengetragen und daher steht die Entscheidung zum Umbau, der hoffentlich vor Allem Spaß machen wird. Vergessen wir mal das Heldenepos und die Schrauberkarriere...
 
Bei Mercedes Benz gibt es die entsprechenden Teile im Angebot. Das EPC liefert bei der entsprechenden Anfrage die erforderlichen Teilenummern. Unser Unimog rollt auf diesen Achsen.

H-Achse        747111        HU        2/14 S-4,0
V-Achse        737111        AU        2/14 S-4,0

Für die schnelle Übersetzung werden laut EPS folgende Positionen benötigt.

A4273301139        Radsatz 23:9        12 Bolzenlöcher (neu)
A4053350201        Gehäuse               12 Bolzenlöcher
A4373500140        Reparatursatz       Differenzial
A0079900101        Bolzen                    4 Stück

Das Ganze braucht es dann doppelt, was mit einer beinahe fünfstelligen Summe zu Buche schlägt. Nee, ich zahle für diese Schallschutzmaßnahme doch nicht nochmals einen Betrag, der dem Anschaffungspreis des ganzen Fahrzeugs sehr nahe kommt. Selbstverständlich wird alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird. Es ist nämlich überhaupt nicht nötig, den Reparatursatz und das 12-Löcher Differenzial zu kaufen. Das 12-Loch-Tellerrad passt hervorragend auf den alten 8-Loch Korb, wenn man eine kleine 2mm breite Scheibe im inneren des Ausgleichsgetriebes entnimmt. Diese Information ist knapp €2000,- wert.
Trotzdem wartet DB mit insgesamt gut €7000,- Teilekosten auf und das ist irgendwie doch ein wenig happig. Meine favorisierte Lösung waren zwei gebrauchte 8-Loch Radsätze, die es immer wieder mal bei den einschlägigen Unimog-Buden gibt. Ich hatte Glück, der Gebrauchtmarkt bot mir die begehrten Teile zu einem vertretbaren Preis an. Dabei habe ich keine Bedenken hinsichtlich Verschleiß. Diese Unimog-Baugruppe ist in Schadens-Angelegenheiten gänzlich unauffällig.
Mein derzeit verbauter Radsatz zeigt auf den Zahnflächen noch die Fertigungsspuren und selbst Unimogs mit deutlich mehr Motorleistung verwenden die gleichen Zahnräder. Da ich seit Jahren den Markt beobachtete und über mehrere Angebote verfüge, wusste ich in etwa was ich investieren muss. Im Frühjahr 2014 war der Zeitpunkt günstig. Ich will im Herbst unsere Einfahrt pflastern und es erscheit logisch, den großen Umbau am Mog noch vorher abzuschließen. Dann sind die Ölflecken und die Macken nämlich "unter" und nicht "auf" den neuen Steinen. Ich erwarb, ganz spontan, zwei gebrauchte Radsätze, die sich in einem absoluten Top-Zustand befanden. Jetzt fehlt zum endgültigen Startschuss nur noch eine einzige Sache, ein Dreiviertel-Zoll Druckluft-Schlagschrauber. Den habe ich mir nach der Achsumbauaktion bei Tom besorgt, nachdem ich zu folgender Erkenntnis gekommen bin: "Ein aufgeklärter Mann des 21. Jahrhunderts braucht nicht die blauen Döschen die auf "wewewe niveamen de" angeboten werden, sondern einen Dreiviertel-Zoll Druckluft-Schlagschrauber." Punkt, Aber Hallo.


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Zuerst werden die unteren Bolzen der Stoßdämpfer herausgedreht. Mit dem neuen Werkzeug geht das prima. Ich erinnere mich nur zu gut an meine letzte Aktion. Damals kosteten mich die Dinger einen Nachmittag. Mit der Kaliber .75 Wumme war das aber in einer Minute erledigt. Schön drehen lassen und mit dem Handschuh den drehenden Bolzen ziehen. Die Dämpfer werden mit einer Kordel hochgebunden, damit sie aus dem Weg kommen. Der Bolzen des Panhard-Stabes wird ebenso herausgedreht. Da ist ein wenig Vorsicht geboten. Je nach Stand des Fahrzeugs können hier Vorspannungen herrschen, die den Bolzen verklemmen.

Der Bock, den ich mir für die letzte Aktion zusammenschweißte kommt auch dieses Mal zum Einsatz. So ein Ding braucht es meiner Ansicht nach zum Ausbau der Achse. Das Gestell geht ganz leicht unter den Rahmen, wenn man zentral an der Hecktraverse den Heber ansetzt und den Unimog etwa 10 cm aus den Federn hebt. Dann liegt das Gewicht sicher auf und die Federn sind entspannt. Wie gefährlich die Sache dennoch ist, zeigte das Erdbeben welches unsere Gegend erschütterte. Es geschah kurz nachdem der Mog aufgebockt dastand. Das Zentrum war nur 5 Kilometer entfernt und die Stärke lag bei 4,2 auf der Richterskala. Alter Verwalter da rappelt es im Karton, aber der Unimog blieb stehen.
Dann kann, wiederum nur mit einem einzigen Heber, ein Rad wenige Zentimeter angehoben und abgebaut werden. Anschließend kommen die Radnabenbolzen heraus. Das flutscht mit dem Schlagschrauber spitzenmäßig. Wer  so ein Moped nicht hat, der sollte die Notlösevorrichtung der Feststellbremse erst nach dem Lösen der Nabenbolzen betätigen.
Die Schutzbleche und der Bremssattel sind abmontiert. Das geht alles ganz geradeaus und ohne Tücken. Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt um das Öl aus dem Vorgelege zu lassen. Das Vorgelege selbst ist mit 12 Schrauben am Achsrohr befestigt. Es lässt sich mit einem Stück Holz und einem Fäustel axial verschieben, bis es per Hand herausgehoben werden kann. Normalerweise bleibt die Antriebswelle dabei in dem Getriebe. Es könnte aber auch sein, dass sie im Achsrohr bleibt. Das hängt davon ab, ob das obere Innenlager fester in der Achse oder im Vorgelege sitzt. So ein Vorgelege ist von Hand noch ganz gut zu bewegen.
Eine kleine Menge Öl kann da hinterher aus dem Achsrohr fließen. Der obere Wellendichtring ist auf diesem Bild schon entfernt. Achtung die Abstandsringe zur Ausdistanzierung des unteren Lagers fallen bei der Demontage möglicherweise heraus. Ich mache die immer sauber, klebe die dünnen Blechringe mit Kreppband zusammen und beschrifte sie.


 

Ein kleines Video dazu (25MB)


 

Um das Einstellen der Federspeicher zu erleichtern, nahm ich jeweils das Maß zwischen dem Flansch und der Dichtfläche des Vorgeleges, wie es auf dem Bild zu sehen ist. Auf  beiden Seiten waren das 244 mm. Bis hier ging auch alles recht einfach auseinander. Eine der vier Inbus-Schrauben zur Befestigung der Federspeicher war nach 34 Jahren einfach nicht mehr zu bewegen. Da hilft dann nur noch die Flex. Glücklicherweise bekam ich das abgerissene Teil noch aus dem intakten Gewinde heraus.
Beim Ausbau der Achse ging ich anders vor als vorgesehen. Letztes Mal demontierte ich die Achse an der Schubkugel. Jetzt möchte ich das Schubrohr zunächst am Fahrzeug lassen. Ich wollte einfach mal ausprobieren ob das auch geht. Tatsächlich funktioniert es und wäre eine einfache Alternative, wenn man das Schubrohr nicht ausbauen möchte. Ein Problem bei der späteren Montage ist dann der Triebling. Dieser müsste dann ohne die berühmte Montierhilfe erfolgreich an dem Wellendichtring vorbeigeführt werden. Da muss alles genau passen und schließlich dürfen auch die Zahnräder nicht beschädigt werden. Ich habe aber schon von erfolgreichen Montagen gehört.
Hier ist die Achse jedenfalls tüchtig unterstützt. Das Schubrohr hängt an einem Spanngurt, damit es beim Zerlegen der Achse nicht herunterfällt. Die Gehwegplatten dienen auch der Sicherheit und schaffen "Lebensraum unterm Kasten".

Ein kleines Video dazu (8MB)

 

Um die Enden des Achsrohres zu schützen, befestigte ich an beide Seiten eine 20er Multiplexplatte mit den Abmessungen 25cm x 30cm. Mit jeweils vier 12 x 50er Schrauben halten die bombenfest. Die Hölzer waren eigentlich zur Abdeckung der Dichtflächen beim Sandstrahler gedacht, aber natürlich verhindern sie auch Transportschäden und bieten eine hervorragende Abstellmöglichkeit.
Nur um die Sache richtig zu stellen. Alleine konnte ich so die Achse nicht wirklich bewegen. Auf dem Heimweg erzählte ich meinem Kollegen und langjährigen Fahrgemeinschaftspartner von meinem Vorhaben und meinem Unvermögen den schweren Brocken unter dem Karren vor und in die Werkstatt zu bekommen. "Ist nur das Achsrohr mit Differenzial. Bremsen, Vorgelege, Radlager, Antriebswellen und Öl sind raus."  Er war spontan bereit mir zu helfen. "Das machen wir am besten sofort, ich meine jetzt" sagte er. Zu zweit schufteten wir das Teil bei mir in den Keller. Eine Mordstortur aber letztendlich geht das im Notfall auch ohne Wagenheber, Motorheber oder Kran. Vielleicht wäre eine Sackkarre ganz praktisch gewesen. So eine Unimog-Achse um den Hals (ja saugefährlich und macht man eigentlich nicht so) fühlt sich anders an als ein USB-Stick.
In der Werkstatt angekommen geht es ans Öffnen des Differenzialkorbes. Zunächst sicherte ich die Achse mit einem Strick an der Werkbank. Unten steht sie brav auf Ihrer Holzplatte. Die Maße des langen Achsrohres passen hervorragend und legen die Arbeitshöhe fest. Die langen Schrauben, welche die Achse zusammenhalten, waren bei meinem Unimog umgekehrt montiert. Das bedeutet Mutter und Schraubenkopf befanden sich auf der jeweils anderen Seite. Das ist nach den Gesichtspunkten der Festigkeit erst einmal egal, wird aber in allen Unterlagen mit "Schraubenkopf zum langen Tragrohr" beschrieben. Beim Zerlegen mit meinem neuen Lieblingswerkzeug leuchtete mir ein, warum mein Vorgänger das schlauerweise anders herum machte. So tut man sich bei der späteren Montage mit Dichtmittel einfach etwas leichter, da die unverschraubten Bolzen ganz von selbst halten, da sie von oben eingesteckt werden. Im Anschluß wird dann einfach jeweils die Mutter von unten angeschraubt. Ich werde das auch wieder so zusammenbauen.

 

Ich war tierisch neugierig auf das Innenleben und hob auch gleich das Differenzial heraus. Dafür gibt es im Mittelteil eine kleine Ausfräsung, durch die man das Tellerrad mit Getriebe schräg herausheben kann.
So vergammelt die Achse von außen auch aussehen mag, innen ist sie aller Erste Sahne. Rost, Einlaufspuren, Schäden oder Verschmutzungen konnte ich nicht finden. Es kommt tatsächlich auf die Inneren Werte an..
Im Werkstatthandbuch geht es jetzt mit Sonderwerkzeugen los. Ganz abgefahrene Abzieher haben die da. Ich habe die Hebelmethode mal live gesehen und da waren keine Anfänger am Werk.
Ich wollte das mal loswerden, da die folgenden Bilder womöglich "Pfuschverdacht" aufkommen lassen. Natürlich handelt jeder, der das nachmacht, auf eigene Verantwortung und natürlich kann man so leichter einen Schaden verursachen als mit einem tollen Sonderwerkzeug-Abzieher Doubble-Ass Special Tool. Es funktioniert aber mit dem nötigen Gefühl, ein wenig Vorsicht und dem richtigen Dreh auch anders. Selbstverständlich habe ich mit einer Schlichtfeile an dem Kuhfuß und an dem Montiereisen sorgfältig alle scharfen Kanten entfernt.
Auch hier braucht es lediglich einen Meißel aus festem Aluminium. Das ist immer noch viel weicher als der Stahl des Lagers oder der Passfläche. Also  kann man damit in aller Regel keine Schäden verursachen. Bei dem abgebildeten Werkzeug handelt es sich um ein Reststück aus meiner Aluschrottkiste. Die Länge des Hilfswerkzeuges ist hier wichtig, damit der Hammer nicht in die Nähe der Zähne des Tellerrades kommt.
Die Lager sitzen auch nicht so bombenfest und mit ein paar kleinen Schlägen, die immer kreuzweise auszuführen sind, bewegt man den Innenring schließlich von der Welle.
Die Profis in der Unimog Werkstatt machten das mit ein paar gezielten Schlägen. Ich sah mal einen, der warf nach vier knackigen Schlägen das Lager quer durch den Raum und traf damit auch noch sehr sicher den Schrottcontainer.
Der Laufring des eben gezeigten Lagers muss natürlich auch heraus, da Lager immer nur paarweise richtig funktionieren. Der Ring steckt im kurzen Achsrohr und wird auf dem nächsten Bild ausgebaut.
 

 

Meine Damen und Herren, ich präsentiere:

Torf-Kot

Thomasitos Original Revolutionary Fullforce Kickass Outdriving Traverse

Dabei handelt es sich um einen improvisierten "Austreiber", den ich mir dafür  herstellte. Der Ring dieses Lagers ist beim späteren Zusammenbau der Achse mehrmals zu entfernen und da ist ein anständiges Gerät angebracht.
In ein Schrott-Reststück (Hier 12er Geländerbau Vollmaterial) bohrte ich im Abstand von jeweils 40 mm drei 6er Löcher. Die Inbus-Schrauben, die mit ganz leichter Vorspannung nach außen unter den Lagerring greifen, wurden mit der Feile ein wenig angeschrägt. So greifen sie den Lagerring tiefer, weil außen und hinter dem Ring wieder der Achskörper im Wege ist. Die mittlere, kurze Inbusschraube erleichtert die Führung des Rohres, mit dem ich von außen und hinten durch die Achse gegen die Traverse hämmere.

Ein kleines Video dazu (15MB)

Au weia, was macht der nun schon wieder mit solchen heidnischen Kultgegenständen wie Brecheisen an den empfindlichen Teilen herum. Was für ein Rabauke, welch Grobschlosser berserkender Natur. Herr, vergib Ihm, den er weis nicht was er tut.
Ist aber halb so wild und in der Praxis geht das prima. Auch entsteht hier kein Glaubenskonflikt mit meiner grundsätzlich christlichen Einstellung zum Maschinenbau. Auf die Klauen der Sperre kommt ein "Schonstück", in meinem Fall ein Schnittrest aus einem L-Aluminiumprofil. Dagegen wird zunächst mit dem Montiereisen gehebelt. Mit zwei Fingern am Ende des Eisens und immer kreuzweise löst sich der Lagerring so Zehntel für Zehntel aus seinem Sitz. Nach ein paar Millimetern ist der Spalt groß genug und man kann den Ring mit dem Brecheisen tiefer greifen. Jetzt rotiert die ganze Hebelage ganz praktisch mit der drehbaren Sperrenklaue im Kreise herum. Wenn der Ring einmal rutscht und man übertreibt es nicht mit der Kraft und mit der Eile, dann gleitet der den letzten Zentimeter mit einer einzigen Bewegung heraus.
Anschließend kommen die Klaue, die Distanzringe / Gleitringe und der Kolben aus dem Achsrohr.

Die Hinterachse ist auf dem Weg zum Sandstrahler. Die schweren und großen Teile sind gerade eben so noch von Hand und von einer Person zu bewegen und passen sogar in meinen alten Polo. Sämtliche Löcher, Gewinde, Passflächen und Deckel sind verschlossen worden. Den Bolzen für den Panhard-Stab schütze ich mit einem Stück Kühlerschlauch. Nach dem Ausladen vor Ort schraubte ich kurzerhand die beiden Hälften wieder zusammen. Dann bleibt das Innere ganz sandfrei und alle Dichtflächen unbeschädigt. In der Zwischenzeit widmete ich mich dem Innenleben.

 

 

 

 

Das Differenzial liegt zerlegt auf der Werkbank. Auch hier leistete mein Schlagschrauber ganze Arbeit. Das schwere, schmierige Ding ist ganz schön unhandlich und da hilft es schon, wenn man nicht wirklich gegenhalten muss. Das Tellerrad meines Radsatzes in 22:7 hat noch 4 Passbolzen und 4 Schrauben zur Befestigung am Differenzialkorb (4163350401). Im Bild ist auch die Gleitscheibe zu sehen, die sich zwischen Tellerrad und dem darauf laufenden Zahnrad befindet. Diese Scheibe ist genau 2 mm stark. Nach meinen Informationen ist das alte Diff mit den neueren Radsätzen verwendbar, sofern man diese Scheibe entfernt. Das steht in keiner mir bekannten Arbeitsanweisung und auch das EPC und das Werksatthandbuch schweigen hier. Dazu ist die Verschraubung des Rades inzwischen geändert worden was bedeutet, dass die neueren Varianten eine Passbohrung und 7 Schrauben zur Befestigung besitzen. Da könnte man das neue Zahnrad an drei Bohrungen aufreiben, oder schlicht nur einen Passbolzen verbauen und sich die fehlenden drei 12er Schrauben besorgen. Die 3 Passbolzen in 13H7 passen natürlich nicht in die geringfügig kleineren Löcher des neuen Tellerrades. Aber komplettiert könnte das alte Ausgleichsgetriebe, welches sich immer noch in einem hervorragenden Zustand befindet, weiter seinen Dienst verreichten.
Hier messe ich den Abstand von der Auflagefläche zum Differenzialgehäuse zur Lauffläche des Zahnrades. Der Bronzering liegt hier natürlich auf dem Zahnrad. Dieses Maß braucht das alte Differenzial und dessen Sonnenrad. Daher stellte ich den Tiefenmesser hier auf Null. Ich genieße es dabei die edlen Teile auf einer angemessenen Unterlage zu platzieren. Ein altes Betttuch wurde auf eine Holzplatte gespannt und dient als Unterlage.
Hier wiederhole ich das Ganze an dem "neuen" Zahnrad, natürlich ohne den besagten Gleitring. Jetzt erwarte ich das Maß von oben. Tatsächlich  gibt es einen Unterschied von 19 hundertstel Millimeter. Das bedeutet, würde ich den alten Korb mit dem neuen Tellerrad verwenden, selbstverständlich dabei die Gleitscheibe nicht einbauen, dann hat das tellerradseitige, kleine Zahnrad des Differenzials fast 2 Zehntel mehr Spiel. Der Verbau funktioniert so, aber ob das im Sinne des Erfinders ist?

 

Wie gesagt, die Stärke dieses Ringes liegt exakt bei 2,00 Millimeter. Verbaut man diesen Ring auch mit dem neuen Rad, dann befindet sich das kleine Zahnrad 180 Hundertstel tiefer im Getriebe. Vermutlich lässt das sich so gar nicht mehr montieren oder bewegen. Beim Anziehen der Bolzen geht dann sicher irgend etwas kaputt. Daher entfällt der Ring, wenn ein aktuelles Tellerrad zum Einsatz kommt.

 

 

Bei meinem Radsatz war ein nagelneues Differenzial dabei. Dessen Bezeichnung und Ersatzteilnummer vermag ich aber nicht zweifelsfrei zu ermitteln. Ich ging dabei zunächst von der Gussnummer aus, was sich als nicht ganz richtig herausstellte. Deswegen plante ich zunächst den alten Korb wieder einzusetzen, da ich von mehreren erfolgreichen Umbauten hörte. Nun denke ich aber doch über die Alternative mit dem neuen Ausgleichsgetriebe nach. Die relevanten Maße gleichen exakt dem Altteil und so viele Varianten hat es da nicht gegeben. Der Gusskörper entspricht dem Nachfolger, der als 12-Loch-Variante eindeutig und laut EPC in unsere Achse passt.
Diese Entscheidung fälle ich nun vor einem rein Naturwissenschaftlichen Hintergrund. Die Verwaltung und die Ersatzteil-Logistik von Mercedes bleiben außen vor. Dieses Differenzial passt in die Achse und selbst wenn das so nie vorgesehen war und ich dabei eine neue Variante erzeuge.
Schöne Blinkebrocken sind sie aber beide und als leidenschaftlicher Maschinenbauer muss ich da zwischendurch auch mal Pipi machen und sabbere schlimmer als das Finchen.

links alt, rechts neu

Hier wird das "neue" Differenzial wieder montiert. Das Drehmoment ist mit 120 Nm schon ganz knackig. Ich spannte einen Steckschlüssel senkrecht mit Nuss in den Schraubstock und blockierte diesen mit einem weiteren Hebel gegen Verdrehen. Das Differenzial kann für die 8 Bolzen jeweils aufgesteckt werden.
So muss man auch nicht ständig dieses schwere Ding halten. Die Handschuhe trage ich nicht zu meinem Schutz. Ich will einfach keine Handschweiß-Fingerabdrücke auf dem edlen Metall haben.

18er Schlüsselweite,  so was gibt es eigentlich gar nicht und ich musste mir eine zusätzliche, zweite Nuss besorgen. Das alte Diff hatte noch schön brav 19er Köpfe und Muttern. Ist ja wie bei Japsenmotorrädern...Ts Ts 18er...

 

 

Die Objekte der Begierte für mich und bestimmt noch einige andere Unimog-Fahrer, der Radsatz in 23:9. Ich habe auch jahrelang davon geträumt mal genau an dieser Stelle zu stehen. Schade, dass ich nicht mehr rauche, sonst hätte ich mir glatt eine angesteckt. Die Zigarette davor sozusagen.
Die Zähne der beiden Teile zähle ich jeden Morgen vor dem Frühstück. Um diese schicke Metall wird sich hoffentlich ein Großteil unserer künftigen Urlaube drehen, oder eben umgekehrt. Von nun an denke ich beim Einschlafen im Unimog an diese Kameraden, die 1,5 Meter tiefer, aber immer noch 0,5 Meter hoch liegen und es in Ihrer dunklen, wettergeschützten Höhle ebenfalls gemütlich haben. Hoch den christlichen Maschinenbau...

 

Das Ausdistanzieren des Achsantriebes ist eine zentrale Tätigkeit bei der Umstellung auf die "schnelle Achse" und sicher hält diese berüchtigte Prozedur auch einige Schrauber davon ab. Von Mercedes gibt es dazu ein Arbeitsblatt, welches zwar inhaltlich richtig ist, aber viel Spielraum für Interpretationen lässt. Diverse Ausführungen sind nicht ganz exakt und es gibt ein paar böse Mausefallen. Ich selbst halte es in solchen Situationen für wichtig, nicht stumpf einem Arbeitsablauf zu folgen und irgendwelche Werte auszurechnen, sondern die Materie verstanden zuhaben. So unendlich schwierig kann es ja wohl auch nicht sein, wenn dieser Arbeitsschritt tausendfach gemacht werden soll. Auch würde ich eine gewisse Logik erwarten und genau so ist es im Prinzip auch.
Bei dem Achsantrieb handelt es sich um einen herkömmlichen Kegelrad-Tellerrad Antrieb mit Klingelnberg-Verzahnung (nee, nicht Gleason). Da zwar Hypoid-Öl später mal ins Getriebe kommt, es sich hier aber keineswegs um einen Hypoid-Antrieb handelt, schneiden sich die Rotationsachsen der beiden Zahnräder in einem Punkt. Tellerrad und Kegelrad laufen nur richtig und erreichen den vorgesehenen Eingriff, das Tragbild und das Zahnflankenspiel, wenn sie exakt wie vorgesehen ausgerichtet sind. Diese Ausrichtung erfolgt während der Fertigung und da existieren Toleranzen, die letztendlich dazu führen, dass jeder Radsatz ein wenig anders ist. Deswegen erhält jedes Paar aus Tellerrad und Kegelrad ein völlig individuelles Kennmaß, welches nach der Vermessung, sogar mit Namenskürzel auf die Räder aufgeschrieben wird. Das bedeutet ferner, die Radsätze sind auf Paarung gefertigt und jedes Tellerrad besitzt theoretisch nur einen einzigen Triebling (Kegelrad mit Welle), der zu ihm passt. Um diesen "Zusammenverbau" zu garantieren, sind zusätzlich dreistellige Fertigungszahlen neben die Einstellmaße geschrieben. In meinem Fall, wie auf späteren Bildern zu sehen, ist das die Nummer 230. Nun geht es darum die angesprochene Ausrichtung aus der Fertigung auch im Unimog wieder herzustellen.

S1=(A+B)-(C+D)

Die Differenz der beiden beschriebenen Maße, wird durch die Distanzringe der Gesamtstärke S1 ausgeglichen. Im Prinzip bedeutet dies schlichtweg die Herstellung der Fertigungsbedingten Rotationsachsenabstände in einer vorliegenden Fahrzeugachse.

Eine sinnige Referenz bilden da schon mal die Rotationsachsen. Im "Arbeitsblatt zum Einstellen des Achsantriebes" wird der Abstand von der Auflagefläche des großen Kegelrollenlagers am Tellerrad, zur imaginären Rotationsachse des zugedachten Trieblings mit "D" bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Radsatz-spezifische Größe, die auf dem Rand des Tellerrades eingraviert wurde. Hier sieht man die Gravur des Maßes "D" im Tellerrad. Im Prinzip sagt es damit: "Ich erwarte, dass der mir zugedachte Triebling um eine Achse dreht, die sich 77,21 Millimeter von der Auflagefläche meines Lagers entfernt befindet. Außerdem sollte der tunlichst die Nummer 230 haben, weil er sonst nicht zu mir passt".

"D"=77,21 mm

Das Kegelrollenlager wird bis zur Auflagefläche am Tellerrad aufgeschoben und besitzt laut Arbeitsblatt die Höhe "C". Allerdings sehe ich hier keinen Anlass zur Bestimmung dieses Maßes. Der Hersteller sollte so ein Lager schon auf Hundertstel genau fertigen können. Die Höhe des Kegelrollenlagers "C" beträgt demnach immer 29,00 Millimeter. Wenn das Lager auf dem Tellerrad sitzt, addieren sich diese beiden Maße zu: "Abstand Oberkante Lauffring des Kegelrollenlagers zur Rotationsachse des Trieblings", oder (C+D).

"C"=29,00 mm

Das so genannte Maß A ist eine Achsmittelgehäuse-spezifische Größe, die sinnigerweise auf dem Mittelgehäuse seitlich und eingeprägt ist. Hier schreibt das Arbeitsblatt von Konstanten, die "vor das Maß zu setzten" sind. Als waschechter Doofakademiker dachte ich sofort an eine Multiplikation, oder einen Faktor, was aber gar nicht sein kann. Hier geht es um eine Ausdistanzierung und da reicht eigentlich Addition und Subtraktion.
Aber selbst so produzierte die Formel immer nur "unmögliche" Ergebnisse. Was meinen die damit und warum schreiben die das nicht einfach komplett auf? Kriegen die Ihre Gussbearbeitung etwa nicht genauer hin? Wird womöglich das aufgeschriebene Maß schlicht durch die Konstante ersetzt? Wie ich nun erfahren habe, ein häufiger Fehler. Ich erkundigte mich bei einem erfahrenen Schrauber.
Das Arbeitsblatt meint mit:
"Bei Gehäusebreite 140mm ist vor das Maß, z.B. 90 die Konstante 74 zu setzen"
(Bei mir steht an der Stelle, die mit "A" bezeichnet wurde die Zahl "93". )
Die Konstante "74" stellt das Millimeter-Maß dar, welches zusammen mit dem Hundertstel-Maß "93" die Größe "A" = 74,93 Millimeter ergibt. Dieses Maß beschreibt den Abstand der Mittelachse, die durch den Mittelpunkt der großen Bohrung für den Trieblingsflansch verläuft , zum Achsrohrflansch. Natürlich liegt diese Mittelachse deckungsgleich mit der Rotationsachse des Trieblings.
Das Maß "B" beschreibt die Tiefe der Auflagefläche für das Kegelrollenlager im Achsrohr, gegenüber der Flanschfläche zum Achsmittelgehäuse. Das ist natürlich eine rein Achsrohr-spezifische Größe, die wiederum sinnigerweise in das Achsrohr graviert wurde. In Meinem Fall ist "B" = 33,14 Millimeter. Am Achsrohr montiert beschreibt das Maß (A+B) den normalen Abstand von der Auflagefläche für das Kegelrollenlager im Achsrohr zur Rotationsachse des Trieblings.

"B"=33,14 mm

S1=(A+B)-(C+D)=(74,93+33,14)-(29,00+77,21)=1,86 mm

Um eine Ausdistanzierung erst möglich zu machen, fällt (A+B) immer etwas größer aus als (C+D). Diese 1,86 Millimeter sind nun auszugleichen, damit das Kegelrad in der Fahrzeugachse genau im vorgesehenen Abstand von der Rotationsachse seines Trieblings zum liegen kommt. Scheiben gibt es in 1,0 mm, 0,5 mm, 0,3 mm, 0,2 mm, 0,15 mm und 0,1 mm. In Meinem Fall wähle ich: 1 x 1,0 mm, 1 x 0,5 mm und 2 x 0,2 mm, was zusammen 1,90 mm ergibt. Anfangs versuchte ich es mit 1,85 mm, was aufgrund der verfügbaren Scheiben durchaus möglich ist, aber da stimmte am Ende das Flankenspiel nicht. Mit 1,85 mm war es ein wenig zu groß und mit 1,90 mm lag es an der Obergrenze.  Mit ordentlich Öl und Montagefett baute ich die Scheiben zusammen mit dem Außenring des Kegelrollenlagers ein. Das ging wieder einmal mit meiner Aluminiumplatte und einem kleinen Hammer.
Da die Scheibensammlung S1 die Lage des Tellerrades im Achsgehäuse definiert, ist sie beim ermitteln des Klauenspiels bereits eingebaut. Das Klauenspiel hängt auch von S1 ab und sollte im Bereich 0,5 mm liegen. Die Bestimmung ist vergleichsweise einfach und bedarf auch keiner weiteren Zeichnung.
Dabei wird die Differenzialsperre zusammen mit dem großen Kegelrollenlager in die Achse eingebaut. Dabei sollte sich zwischen der Sperrenklaue und dem Sperrenkolben nur die kupferfarbene, dicke Anlaufscheibe befinden. Die Distanzscheiben der Sperre (nicht S1) bleiben vorerst draußen. Nun misst man mit einer Tiefenlehre den Abstand vom Außenring des Lagers zur Oberkante der achsseitigen Sperrenklaue. Dieses Maß wird im Arbeitsblatt als "E" bezeichnet und beträgt in meinem Fall 34,39 Millimeter.

"E"= 34,39 mm

Nebenbei werden selbstverständlich die beiden Dichtungen der Druckluft betriebenen Sperre erneuert. Achsseitig ist hier gelegentlich Rostansatz vorhanden, der dann gehont werden muss. Zum Glück ist bei mir aber alles in Ordnung. Die Laufflächen bearbeitete ich mit reichlich weißem Fett. Das gibt es neuerdings  ultrapraktisch aus der Sprühdose.

Anschließend misst man am Tellerrad den Abstand von der tellerradseitigen Schaltklaue zur Auflagefläche des großen Kegelrollenlagers. Dieses Maß nennt das Arbeitsblatt dann "F". Es ist vermutlich kein Zufall, dass ich auf das Hunderstel genau 33,00 Millimeter messe.

"F"=33,00 mm
 

Mit der Formel S2=E-(F+a) wir die Anzahl der nötigen Distanzscheiben ermittelt. Das Klauenspiel "a" ist dabei ein wichtiges Spaltmaß, welches laut Arbeitsblatt im  Bereich 0,5 mm liegen soll. Damit liefert die Formel den Wert. S2=0,89 mm. Es gibt für S2 nur Halbmillimeterscheiben und damit verbaue ich 2 Stück. Es ist eigentlich ganz einfach, denn lege ich zwei Distanzscheiben der Stärke 0,5 mm unter die Sperrenklaue, dann würde sich das Maß, welches ich zuvor als "E" gemessen habe um 1 mm reduzieren. Sprich ich würde 33,39 Millimeter messen. Jetzt stelle ich mir vor, das Tellerrad steckt in dem Lager und dann ist wohl klar, ich habe noch 0,39 Millimeter Luft. Das ist letztendlich mein reales Klauenspiel, welches selbstverständlich der Norm 0,5 ± 0,2 mm entspricht.

S2=E-(F+a)=34,39-(33,00+0,5)=0,89 mm

Das Aufpressen des Innenrings auf das Tellerrad geht wieder mit einem kleinen Trick. Zufällig passt der Ring des alten, kleinen Kegelrollenlagers von der anderen Seite genau und dient als Aufschiebhilfe. Zuvor habe ich einfach mit einer Kneifzange den Käfig und die Rollen entfernt. Zentral darüber kommt wieder die viel genutzte Aluplatte, ein paar Hammerschläge und ab dafür. Das letzte kleine Stück führt man wieder kreuzweise Schläge über die Kante aus und montiert ist das Lager.
Das "kleine" Kegelrollenlager auf der anderen Seite des Differenzials wird ganz genau so aufgeschoben, allerdings nicht bis zum Anschlag. Die Prozedur sieht hier ein weiteres Verfahren zur Ausdistanzierung des Differenzials im Achsrohr vor. Dabei wird der Außenring zunächst ohne Distanzscheiben in das kurze Achsrohr getrieben. Das funktioniert super mit der Allround-Aluplatte. Dann presst man das Kegelrollenlager auf das Differenzial und lässt einen Spalt von etwa 10 mm Breite. Anschließend wird das Differenzial (zunächst ohne Sperrenfeder) eingelegt und beide Achsrohre mit 4 Schrauben über Kreuz vormontiert. Dies verschiebt das kleine Kegelrollenlager auf dem Wellenstummel des Ausgleichsgetriebes. Der zuvor belassene Spalt ist nun deutlich kleiner geworden und liefert das Maß "S4". Allerdings sind die S4-Scheiben zur Ausdistanzierung nicht etwa unter den Bund des Lagers zu legen, sondern kommen in das Achsrohr unter den Außenring. Dazu muss der zuvor eingepresste Ring wieder raus.
Die gut 4 Millimeter Spalt überraschten mich und da reicht nun auch die Ansammlung aus Distanzringen, die ich mir extra besorgte um nicht drei Mal hin und her zu bestellen, nicht mehr aus. Über die Pfingstfeiertage sind  Mercedes-Ersatzteile nicht schnell zu bekommen. Ich beabsichtigte aber meine Achse in der freien Zeit zuzumachen und da beschloss ich unter Missachtung jeder Vernunft die aufwendige Selbstherstellung eines 4 Millimeter Distanzringes. Ich wollte sowieso wissen, ob ich das noch kann und ob die Drehbank meines Großvaters der Aufgabe gewachsen ist. Ich pflege eine gewisse emotionalen Bindung mit diesem Werkzeug und hatte sowieso Lust mal wieder damit zu arbeiten. Das macht einfach mehr Spaß als Pfennigartikel zu bestellen. Zufällig fand sich noch ein passendes Stück 4mm Blech. Diese Halbzeuge sind sehr präzise, was die Stärke angeht. Als ich den fertig gedrehten Ring, der wunderbar saugend in das Achsrohr passte, mit 600er Schleifpapier bearbeitet hatte, war er ganz genau 4,00 Millimeter stark.

Mit einer Fühlerblattlehre ermittelte ich das Restmaß, welches durch die herkömmlichen Mercedes-Distanzringe ausgeglichen werden soll. Demnach ist die genaue Stärke meines Selbstbau-Ringes eigentlich gar nicht so wichtig. Trotzdem freue ich mich über dieses überaus gelungene Utensil. S4 beträgt demnach 4, 00 Millimeter Ring plus 0,35 Millimeter. Das geht gut auf, den es gibt die entsprechenden Scheiben in 0,2 mm und in 0,15 mm.
Jetzt ist mir auch klar, woher die Typenbezeichnung unseres Unimogs herkommt.  Tatsächlich sind 4,35 (S4) Millimeter auszugleichen. Diese Sammlung aus drei Ringen kommt nun unter den Außenring des kleinen Kegelrollenlagers in das kurze Achsrohr.
Das kleine Kegelrollenlager wird mit dem alten Lagerring nun ganz aufgepresst. Das geht prima und die 2mm, die der alte Ring dabei am Ende ebenfalls auf die  Welle geschoben wird, halten ihn nicht wirklich fest. Ein kurzer Schlag und er fliegt wieder daher. Das neue Lager ist in Position.
Noch eine kleine Rückversicherung und Überprüfung des zuvor ermittelten Klauenspiels. Einfach ein kleines Stück Lötzinn über eine Sperrenklaue legen und das Differenzial einlegen. Dabei sollten natürlich zwei Klauen direkt übereinander positioniert sein. Hinterher lässt sich an dem gequetschten bzw. platt gedrückten Drähtchen das Klauenspiel nachmessen. Wie erwartet und bereits vorher rechnerisch ermittelt liegt es bei 0,4 Millimeter (0,39 mm aus der Theorie). Nun ist ein guter Zeitpunkt um die trockene Montageprobe zu machen. Für die folgende Tragbildanalyse fehlt aber noch ein wichtiges Bauteil...
Der so genannte "Ritzelflansch" mit Triebling und den beiden Kegellagern ist an der Reihe. Diesen Kollegen gilt es nun zu zerlegen. Angeblich erfordert es eine Menge Kraft, die große Mutter zu lösen, die beide Lager verspannt. Ich baute mir aus diesem Grund eine Halterung aus einer alten Sperrenklaue, die man im Schraubstock einspannen kann (siehe späteres Bild). Da passt auch der Triebling-Wellenstummel hinein, das es am Unimog nur eine Größe verzahnter Wellen gibt. Die Schlüsselweite der Mutter beträgt 65 mm. In der Mutter liegt noch ein Federring und eine Zahnscheibe, die den Überwurf gegen Verdrehen auf dem gezahnten Wellenstummel sichert.
Tatsächlich war der Kraftaufwand beträchtlich und ich würde davon abraten hier mit Rohr- oder Wasserpumpenzangen aufzuwarten. Das kleine Lager des Trieblings lässt sich mit einem recht brutal anmutenden Trick abbauen. Mit ein paar kräftigen Schlägen des Wellenstummes auf den Ambossrücken eines Schraubstocks löst diese Lager schließlich. Jetzt zerfällt das Gebilde in Triebling mit großem Lager, Stauchhülse, kleines Lager, Verschleißring für den Wellendichtring, Überwurfmutter, Zahnscheibe und Federring.
Die Lagerschale des großen Lagers lässt sich mit ein wenig Vorsicht und einem Montiereisen immer im Kreise herum aushämmern. Irgendwann ist der Außenring so weit ausgetrieben, dass wieder der gerade Aluminiummeißel greift. Dieser Lagerring ist aufgrund der Innenform des Ritzelflansches zunächst nicht ganz leicht zugängig. Das Montereisen für die ersten paar Millimeter sollte also in irgend einer Form gekröpft sein.

 

Ein kleines Video dazu (19MB)

 

Das große, dicke Kegelrollenlager selbst, sitzt noch bombenfest auf der Welle. Mit einer Kneifzange ist zwar der Lagerkäfig mit seinen Kegeln schnell entfernt, der starke und harte Innenring jedoch, hält beharrlich seine Stellung. Ich durfte mal beim Abziehen dieses Lagers zusehen und erinnere mich mit Schaudern an das riesenhafte Trennmesser und die auch sonst enorme Dimension des Abziehers. Nichtsdestotrotz war der Kraftaufwand beachtlich und nur unter großem Protest löste sich das Lager damals von seiner Passfläche. In der Tat ist diesem Bauteil zerstörungsfrei nicht anders beizukommen. Das Lager soll aber ohnehin erneuert werden und daher darf es ruhig draufgehen. Aber Sonderwerkzeug ist nach wie vor nicht. Meine Versuche mit der Flamme scheiterten ebenfalls. Schließlich wollte ich den Triebling nicht beschädigen.  Dazu handelt es sich eigentlich um eine Fleißaufgabe, da jenes Lager auch bis zum Sanktnimmerleinstag auf dem alten 7-Zahn stecken bleiben könnte. Ich wollte aber wieder experimentieren und wendete die "Wenn alles scheitert" Methode an.
Mit einer Schrubbscheibe schliff ich den Innenring bis auf die Welle herunter. Das Zahnrad ist durch ein Stück Blech und ein Stück Wellpappe gegen versehentlichen Kontakt mit der Scheibe gesichert. Die übrige Welle wird dick mit Malerkrepp zugeklebt.
Da das abzutragende Material verdammt hart ist, geht der Abtrag ganz fein und sauber mit der Flex. Wenn der Restquerschnitt dünn wird, kann man an der blauen Färbung einen bevorstehenden Durchbruch erkennen.
Der ist natürlich unter allen Umständen zu vermeiden und selbst wenn sich kleine Metallflocken letztendlich lösen, so bleibt der Lagersitz doch in der Regel unbeschädigt, da rechts und links noch genügend "Auflage" besteht. Mit der Neigung des Schleifgerätes ist das gut zu kontrollieren. Vom blauen Punkt ausgehend arbeitet man sich nun vorsichtig und mit wenig Druck axial nach vorne und nach hinten. Irgendwann wird die Hülse so dünn, dass sie einfach reißt. Man beachte den Bilderbuch-Riss, der trotz Gehörschutz auch akustisch zu vernehmen war. Nun lässt sie sich beinahe von Hand verschieben und entfernen.

Gewonnen !!!

Der Fieg ift mein, mein ift der Fieg !!!

Ich versichere, der "alte" Triebling hat bei der Aktion absolut keinen Schaden genommen.

Das Ergebnis der Schlacht. Das große Lager starb den Heldentod und ich spucke lauter schwarzen Dreck von der 15-Minuten Flex-Orgie. Aber ich bin da wo ich hin wollte und es ist kein Stalingrad. Ja Brille und Gehörschutz waren drauf, aber mit Mundschutz schaffe ich eben nicht so gerne. Eigentlich brauche ich auch nur die Teile aus der rechten Reihe, nämlich den Flansch, die Mutter, den Dichtring, den Zahnring und den Federring.
Der erste Arbeitsschritt ist das Aufpressen des starken Lagers am 9 Zähne-Triebling. Selbstverständlich verfüge ich nicht über das entsprechende Sonderwerkzeug. Der Trick ist Hitze. Wenn man das Lager auf der Herdplatte oder im Backofen auf über 100°C erhitzt, dann rutscht es angeblich von selbst in seine Endposition. Darüber machte ich mir schon Gedanken und hatte ernste Zweifel, ob das tatsächlich so problemfrei hinhaut. An jenem Abend ölte ich den Boden eines alten Campingtopfes schön dick mit Öl ein und legte das Lager hinein. Nach 5 Minuten auf der Herdplatte rauchte das Öl, wenn man den Deckel hob. Das Bratenthermometer meldete wärmer als 120°C. Mit Arbeitshandschuhen und Küchenpapier griff ich das Lager und steckte es auf den Triebling. Ganz locker und mit einem sehr befriedigendem "Tick" flutschte das so schwer wieder zu lösende und an sich störrische SKF-Edelteil in seine Endlage. "Deswegen warst Du den ganzen Tag angespannt und hattest schlechte Laune" spottete Ulli. "Schau lieber, dass Du den Ölgestank aus meiner Küche kriegst" schimpfte sie. Auf dem Bild ist auch schon die frische "Stauchhülse" zu sehen. Diese ist in jedem Fall zu erneuern.
Das Einpressen des Außenrings in den Ritzelflansch geht ganz einfach mit einer Aluminiumplatte die flach auf den Ring gelegt wird. Mit einem kleinen Hammer und immer kreuzweise lässt sie der Ring in das Gehäuse treiben. Um den Ring "unter den Rand" zu pressen, benutzte ich die Ecken der Aluplatte.
Laut WHB kommt auch bei dem zweiten Kegelrollenlager ein Aufpresswerkzeug zum Einsatz. Laut Beschreibung ist das Lager so weit aufzupressen, bis 1-2 mm Spiel entstehen. Mir ist zwar nicht klar, warum es nicht auch bis zur Stauchhülse durchrutschen kann, aber im Zweifel immer für den Angeklagten. Da ich auch hier wieder mit Erwärmung arbeiten wollte, steckte ich kurzerhand drei Karosseriescheiben der Stärke 1,5 zwischen den Außenring des Lagers und den Ritzelflansch. Die werden nach dem "Anschrumpfen" wieder abgezogen und wir haben unser gefordertes Spiel.

Ein kleines Video dazu (25MB)

 

Nun aber Butter bei die Fisch Kamerad. Mit dem Festziehen der großen Mutter werden die Lager vorgespannt. Bevor die Lager aber spielfrei werden, erreicht der innere Laufring des kleineren Kegelrollenlagers die Stauchhülse. Die nun folgende initiale und beabsichtigte Verformung dieses Teils erfordert ein gewaltiges Drehmoment. Ich hing mit meinem gesamten Körpergewicht an dem 65er Schlüssel und konnte nur dynamisch und knapp ausreichend das nötige Drehmoment aufbringen. Ich schätze es auf rund 600 Nm. Selbstverständlich habe ich alle Reibflächen und das Gewinde vorher dick mit Getriebeöll eingesuddelt. Wenn die Hülse einmal nachgegeben hat, ist der Kraftaufwand etwas geringer, aber immer noch verdammt hoch (etwa 300 Nm - 400 Nm). Ich warne davor diesen Arbeitsschritt mit einem im Schraubstock geklemmten Wellenstummel und einer Rohrzange auszuführen. Ich, der Trieblinge umeinander haut und mit Brechstangen an geschliffenen Lagerschalen herum berserkt, halte das für zu riskant. Die Schadenswahrscheinlichkeit wäre mir da zu hoch.
Nun geht es darum die Vorspannung der Lager korrekt einzustellen. Das ist eigentlich ganz gut machbar, wenn man in kleinen Schritten arbeitet und immer mit der anderen Hand am Flansch dreht und so ständig nachprüft. Je fester die Mutter wird, desto schwerer dreht sich der Flansch, logisch.  Irgendwann kommt man in den vorgesehenen Bereich...

Ladies and Gentlemen, may I introduce:

Blow-Fart

Bearing Load Optimising Wurstkordel Full Ass Rotation Trick

Das Werkstatthandbuch fordert eine Lagervorspannung, die zu einem definierten Abrissmoment des gelagerten Flansches führt. Dieses Drehmoment liegt kurz an, wenn man beginnt die vorgespannten Kegelrollenlager zu drehen. Bewegen sich die Dinger, herrscht ein Reib- oder Schleppmoment, welches deutlich niedriger ausfällt und in diesem Fall nicht im Fokus liegt.
Das Abreißmoment soll laut Arbeitsanweisung zwischen 3 Nm und 3,5 Nm liegen.
Der Flansch besitzt einen Außendurchmesser von 165 mm. Um diesen herum legte ich eine Paketschnur und befestigte daran einen alten Verdünnungskanister als Gewicht. Jenes Gewicht ist so bemessen, dass es genau 3 Nm Drehmoment am Triebling erzeugt. Wird der Blechbehälter gehalten, liegt das Abreißmoment über dem geforderten Wert. Das Gewicht berechnet sich wie folgt.

Md = 3,7 kg  x 9,81m/s² x 0,165/2 mm = 3 Nm

Mit einer kleinen Waage füllte ich den leeren Kanister mit Wasser, bis er genau 3,7 kg wog und hängte baumelnd unter den Triebling. Wie an einer Winde kurbelte ich das Gewicht nach oben und man konnte deutlich spüren, wie mit zunehmender Lagerspannung der Behälter mehr und mehr "festgehalten" wird. Stetig den Flansch bewegend und Schrittweise mit dem großen Schraubenschlüssel die Mutter festdrehend war schließlich das Abreißmoment erreicht. Ganz vorsichtig losgelassen und ohne selbstständiges Losbrechen hielt der Flansch den Kanister fest. Jetzt kann man auch gut prüfen, ob das Abreißmoment während einer kompletten Drehung konstant ist. Auch eine Richtungsänderung ist machbar. Es passte eigentlich ganz gut und so hielt ich den Flansch fest und legte einen 22er Schraubenschlüssel (etwa 300g) auf den Blechkübel und ließ ganz behutsam den Flansch los. Der Triebling drehte sich wieder. Damit liegt das Abreißmoment definitiv zwischen 3 Nm und 3,5 Nm und als Konsequenz passt damit auch die Vorspannung der beiden Lager. Gefühlt dreht er sich schon ein wenig stramm, aber so soll es schließlich auch sein.

Der Triebling

♣♣♣

Der Triebeling, der Triebeling, das ist ein recht empfindlich Ding


denn falsch verspannt und schlecht montiert hat es sich schnell ausrotiert
Drum pass auf und gib fein Acht, wie man die Sache richtig macht
Bleibt die Mutter hier zu locker, hörst Du Gebrumm und auch Geklacker
Und zu viel Zorn in allen Sitzen, lässt die Lager mächtig schwitzen
Nur mit gutem Druck er rennt, drum achte auf das Drehmoment
welches auch die Hülse staucht, die immer neu und nie gebraucht
Diese mache langsam krumm, Stück für Stück und nicht mit Schwung
Dann kannst Du öfter unterdessen, ganz bequem den Abriss messen

Im Handbuch spricht der Onkel Benz, von Sonderdingen mit Kadenz
Diese werden eingefordert, die Liste möglichst ganz geordert
So ein Zwang, so ein Transfer, freut diebisch dann den Aktionär
Jener Ansatz ist mit Recht, gut kalkuliert und nicht mal schlecht
Doch für den Vorstadtmogger klein, muss es nicht immer Krimsekt sein
Die Ideen aus dem Hut, prickeln fast genau so gut
Mit leichtem Mut improvisiert, das Wesentliche auch kapiert,
dazu noch ein paar schmale Tricks, dann klappt das ohne Werkzeug-X

Von einer Wurst schneid' Schnippel Schnapp, mal geschwind die Kordel ab
Diese wird im großen Bogen, außen um den Flansch gezogen
Den Knoten durch ein Loch gemacht und angestrengt mal nachgedacht
Ganz gut bekannt ist hierbei schon, Hebel und Gravitation,
Die Masse und das Drehmoment, man nach kurzer Rechnung kennt
Mit diesen Werten ist dann leicht, ein Gewicht genau geeicht
welches unten festgeknotet, den gesuchten Abriss lotet
Wird zusätzlich noch gut geölt, passt der am Ende wie bestellt

♣♣♣

 

Der fertig aufkonfektionierte Triebling muss natürlich auch in der richtigen Position laufen. Auch hier geht das nach dem bereits bekannten Schema. Der vorgesehen Abstand zur Rotationsachse des Tellerrades ist in der existierenden LKW-Achse herzustellen. Das Maß S3 beschreibt die Stärke der Distanzscheiben zwischen Ritzelflansch und Achsgehäuse, wie in der folgenden Zeichnung durch den roten Pfeil gekennzeichnet.

S3=G+H-J

Das Maß "G" beschreibt den Abstand der Stirnfläche des Kegelrades am Triebling zur Rotationsachse des ihm zugedachten Tellerrades. Diese Distanz steht bekanntlich seit der Fertigung fest und ist demnach eingraviert. Auch die Fertigungszahl 230 ist aufgeschrieben. In diesem Fall beträgt

"G"=86,12 mm.

Das Maß "H" wird am fertig konfektionierten Triebling gemessen. Es schlägt die Brücke zwischen dem Zahnrad und der Kontaktfläche zur Achse. Die Messung gestaltet sich nicht ganz einfach, da die Stirnfläche des Zahnrades nicht 100% plan ist. Mit der Lichtspaltprobe an der Kante der Tiefenlehre ist das offensichtlich. Aber selbst mit einer Aluminiumplatte einer bekannten Stärke, die völlig plan aufliegt, lieferte die Messung an den verschiedenen Positionen der Flanschfläche unterschiedliche Ergebnisse. Ich nahm einfach mehrfach Maß und und machte einen Kompromiss.  Dabei handelt es sich um einen Mittelwert, der umlaufend entstand. Die einzelnen Werte schwankten mit 10 Hundertstel um dieses arithmetische Mitte.

"H"=92,10 mm

Zu guter Letzt fehlt das Achs-spezifische Maß, welches mittig auf der Oberseite des mittleren Gehäuses eingeschlagen wurde. Das Arbeitsblatt spricht wieder einmal recht zweideutig vom einer "Konstante" die vor das Maß zu setzen ist. Zitat: "Vor das Maß z.B. 77 ist die Konstante 176 zu setzen"
Das bedeutet, einwandfrei formuliert und in meinem speziellen Fall: "Das Maß J setzt sich aus dem Millimeterwert 176 und einem Hundertstelwert 79 zusammen."

Letzterer wurde oben auf dem vorderen Flansch des Mittengehäuses eingeschlagen.
Für die neue Hinterachse des Ullimog gilt:

"J" =176,79

S3=G+H-J=86,12+92,10-176,79=1,43 mm

Endlich folgt der entscheidende Schritt, mit dem man die Sinnigkeit dieser im Ganzen recht theoretischen Prozedur überprüfen kann, die viel gerühmte "Tragbildanalyse". "Wenn du dich an das Arbeitsblatt hältst, dann passt das alles und Du kannst Dir die Überprüfung sparen", kann man mehrfach im Unimurr-Forum lesen. Diese Ansicht vertreten auch alle Profis, mit denen ich über die Ausdistanzierung der Achse sprach. Folglich wiegt diese These schon schwer. Aus diesem Grund wurden vermutlich auch die entsprechenden Seiten aus dem WHB entfernt. Früher war der Vorgang dort beschrieben.
Aber ich mache das zum Spaß werde vermutlich nie wieder im Leben an diesem Punkt stehen. Außerdem möchte ich auch wissen, ob ich selber keinen Rechen- oder Denkfehler gemacht habe. Mit einem CD-Beschriftungsstift malte ich kleine Striche auf die Vorwärts-Seite der Zahnflanken des Kegelrades. Dabei ist der Drehrichtungswechsel im Vorgelege zu bedenken.
Der Flansch mit Triebling wird mit den "S3" (1,43 mm) Distanzringen, in meinem Fall 1 mm, und zwei mal 0,2 mm provisorisch verbaut und von Hand ein paar mal durchgedreht. Auch hier gilt es natürlich die Drehrichtung zu beachten. Ich gehe einfach davon aus, "Passt es vorwärts, dann passt es auch rückwärts, wobei die Vorwärtsseite natürlich die absolute Priorität besitzt. Die Welle wird sich in diesem Bild bei Vorwärtsfahrt im Uhrzeigersinn drehen.
Ja und wegen der Sache mit dem Hosenträger und dem Gürtel, messe auch noch das Zahnflankenspiel. Bei jeder Zahnradstufe existiert ein Restspiel, welches hier sogar genau spezifiziert ist und nicht zu groß und nicht zu klein sein darf. Bei verbautem Triebling müsste sich das Tellerrad im Bereich der Zähne laut Werkstatthandbuch zwischen 0,15mm und 0,2 mm bewegen. Da meine Messuhrvorrichtungen, Halterungen und Magnete alle nicht passten, war wieder einmal Improvisation angesagt. Zum Glück hat Josefine haufenweise Kinderknete und so befestigte ich die Messuhr schlicht mit einem ordentlichen Brocken Play-Doh. Ein Stück Aluminiumdraht schob ich mit einem kleinen Kunststoffschlauch auf die Spitze der Messuhr. Der Knick macht es möglich, die Kuhle zwischen einem Zahn und dem Gehäusekörper des Ausgleichgetriebes zu treffen. Dort fixiert sich der Bastel-Tastkopf von selbst.  Aufgrund der Länge trifft man das Zahnrad durch die Ölablassschraube fast senkrecht. Durch das Loch der Einfüllschraube lässt sich das Tellerrad mit dem Zeigefinger bewegen. Klar, die Messung liefert so kein DIN-Zahnflankenspiel aber einen Wert der nur einen geringen relativen Fehler hat. Es geht hier nur darum 0,15mm und 0,2 mm zu verifizieren. Tatsächlich ermittelte ich so ein Zahnflankenspiel von 0,2 mm. Damit ist meine Entscheidung, statt der Ermittelten 1,86 mm für das Maß S1 1,90 mm einzusetzen, nochmals bestätigt worden. Sollte nämlich das Zahnflankenspiel zu groß sein, ist die Stärke der S1-Scheiben zu erhöhen.
Hier sieht man das Kegelrad nach dem "Wischdurchgang". Die Kontakt- bzw Reibfläche sitzt so exakt da wo sie sein soll, dass ich beim Schummeln für diese Aufnahmen, nicht hätte besser aus dem Lehrbuch abmalen können. Ein derart ideales Bild hätte ich auf Anhieb nicht erwartet. Jahrelang träumte ich in unzähligen Waldläufen, Langweilermeetings, Autobahnfahrten, Überlandflügen und Saunaruhestunden von diesem Arbeitschritt. Ulli war ganz aus dem Häuschen, als ich zur Feier des Tages Hummer, Salat und Weißwein besorgte. Auf der neuen Terrasse begossen wir den ausklingenden heißen Sommertag bis in die Nacht hinein. "Heute ist meine Gute Laune unkaputtbar" sagte ich mehrmals. Ulli grinste und ich pulte und knackte an dem Tier herum und gab die Beute gleich weiter an sie.
 

 

"Who ordered the Whoop Ass Fajitas?"

 

 

Loctite 573 härtet besonders langsam aus und eignet sich daher gut für die Montage großer Baugruppen. Da kann man sich alle Zeit der Welt lassen und gemütlich Konditor spielen. Jetzt bloß nicht die Feder für die Differenzialsperre vergessen. Die kommt noch in die Mitte und lässt das Ausgleichsgetriebe wackeln wie der Zahn auf dem Wagen von Dr. King Schulz.
Eine richtige Unimog-Geburtstagstorte mit giftgrüner  Schlagsahne. Die Bolzenkerzen dichtete ich, ganz nach Vorschrift, mit Atmosit ein. Es ist nicht ganz einfach das Drehmoment von 200 Nm auf die Schrauben zu ziehen, da die Achse praktisch nirgends fixiert ist. Ich half mir mit einem zweiten, langen Hebel. Anschließend wischte ich die unter den Schraubenköpfen und Muttern herausquellende Dichtmasse ab.
Bei der Sicherung der kurzen Schrauben habe ich als Flugzeugbauer einen Heimvorteil. Mit Edelstahl-Sicherungsdraht und einer Rödelzange macht das einen schmalen Fuß. Ja, gewöhnliche Schraubensicherung kam natürlich zusätzlich auf die Gewinde.
Die Montage ist abgeschlossen und ganz stolz zeigte ich Ulli das Resultat der letzten Tage. "Hauptsache Du hast da Spaß dran" meinte sie. "Das sieht sehr sauber aus" lobte sie noch und ging dann aber schnell und schnurstracks wieder zu Ihren Büchern. Heute habe ich mit meine zwei Erdinger dunkel aber verdient.
Fühlt sich richtig gut an so eine  zusammen gebaute Achse.

 

Ein kleines Video dazu (15MB)

Möge sie uns noch lange auf unseren Reisen begleiten. Dieser Gedankengang ist nämlich Teil des ganzen Spiels. Ich kenne diese Stück Edelmaschinenbau nun ganz genau habe stets größte Sorgfalt walten lassen. Ein unbezahlbares Gefühl wenn unser Ullimog dann auf Ihr rollen wird. Da weis man, was man hat.

Anschließend geht an das Grundieren und Lackieren. Hier gibt es unterschiedliche Ansätze mit diversen Lacksystemen. Ich las mehrfach von Weichmachern, die angeblich die Schlagzähigkeit erhöhen. Das verspricht einen Vorteil wenn es um die Schäden geht, die umher fliegende Steine verursachen.
Um es kurz zu machen, ich bin anderer Ansicht und der beste mir bekannte Lackierer teilt hier meine Auffassung: "Alles was zählt ist eine möglichst harte Oberfläche und eine entsprechende Schichtstärke". "Das will nur keiner machen, weil so eine Aktion lange dauert und teuer ist und der Kunde nur bezahlen will, was er auch sieht". So Dinger sind alles Kommerzkrankheiten und hier wird das anständig und bestmöglich gemacht.

1 Schicht 2K Zinkchromat und Blei-Ätzgrundierung
1 Schicht 2K schwarz hochglänzend
3 Schichten 2K Klarlack extra hart

Das dauert insgesamt 7 Stunden aber wer so eine Beschichtung mal genauer betrachtet oder länger fährt, der kann meine Freakerei verstehen, denn das ist den Aufwand einfach wert.
Wenn die Achse mal so weit zerlegt ist, nutze ich natürlich den Zugang zu dem Wellendichtring des Getriebes. So einfach komme ich hier vermutlich nie wieder hin. Diese Dichtungen gehen schon mal kaputt und der Getriebesimmering im Ullimog hat immerhin schon 34 Jahre auf dem Buckel. Da darf der sogar versagen und niemand könnte sich beschweren.
Das Abdrücken des Antriebsflansches geht laut Handbuch mit zwei Montiereisen. Leider hat das in meinem Fall nicht hingehauen, der Flansch saß einfach zu fest und mehr Gewalt hätte nur "kaputt gemacht". Dazu ist er Spalt zwischen Gehäuse und Flansch schlicht zu klein, um mit einem Abzieher dahinter zu kommen. Der würde ohnehin an der Rückseite der Scheibe abrutschen, da diese sich außen kegelförmig verjüngt.
Den nun beschriebenen Trick haben wir letztes Jahr bei Tom's Achswechsel-Aktion schon erfolgreich angewendet.
 
Eigentlich ist es ganz einfach; Man besorgt sich Messing Rundmaterial in Stärke 10 Millimeter. Das gibt es im Baummarkt in der Gestalternippes-Abteilung. Daraus baut man sich mit einer Bügelsäge, einer Feile und ein wenig Augenmaß jeweils 2 Zylinder mit der Länge 18 mm, 32 mm und 42 mm. Ja, meine waren noch auf der Drehbank, was aber nicht unbedingt erforderlich ist. Die beiden kurzen Messingstifte steckt man in zwei sich gegenüber liegende Gewindebohrungen des Antriebsflansches. Hinterher kommen die Schrauben und werden von Hand eingedreht, bis das Messing auf der Rückseite das Getriebe berührt. Nun presst man die Zylinder mit den Schrauben gegen das Getriebe und zieht diese abwechselnd jeweils um eine Umdrehung an. Das dauert zwar eine Weile, aber so bewegt sich der Flansch langsam von der Getriebewelle. Wenn die Schrauben ganz eingedreht sind, wechselt man mit den nächst längeren Messingzylindern auf die beiden anderen Löcher und schraubt weiter. Die kurzen Zylinder fallen dann irgendwann in das Gehäuse. So geht das weiter und wenn die 42er durch sind, geht der Flansch von Hand ab.
So sieht das dann aus. Gut erkennbar sind die Druckstellen und der Messingabrieb am Getriebegehäuse. Das nimmt aber keinen Schaden und alle Spuren ließen sich mit einem Lappen entfernen. Der Simmering hielt zwar noch dicht, zeigte aber schon Alterungsspuren. Mit dem Montiereisen lässt er sich heraushebeln. Dabei geht er allerdings kaputt.
Der Antriebsflansch zeigte minimale Einlaufspuren, die auf der Drehbank entfernt wurden. Selbstverständlich ging das ausschließlich mit feinen Schleifmitteln und nicht mit Drehstählen. Die sichtbare aber kaum fühlbare Riefe war mit 600er Polierleinen ganz schnell verschwunden. Anschließend noch alles mit 1000er Schleifpapier abgezogen und mit Poliervlies nachbearbeitet. Binnen Minuten erstrahlte die Lauffläche  in ganz neuem Glanz. So gut war die vorher nicht.
Der neue und ordentlich gefettete Wellendichtring wird eingebaut. Er hat hinten im Gehäuse keinen Anschlag und muss plan mit der inneren Gehäusefläche positioniert werden. Natürlich gibt es dafür wieder ein Mercedes-Sonderwerkzeug. Beim Suchen nach einem geeigneten Hilfsmittel-Schummelprovisorium kam ich bei meinen Schrotteimer vorbei. Tatsächlich eignet sich der alte Außenring des entsorgten dicken Trieblingslagers ganz hervorragend zum Einschlagen des Getriebesimmerings. Er ist relativ stark und sein Durchmesser ist innen kleiner als der Wedi und außen größer. Hö, hö Sonderwerkzeug.
Dieses sackschwere Scheißding aber auch. An jenem warmen Samstagnachmittag waren natürlich alle potentiellen Helfe-Nachbarn im Schwimmbad oder haben sich beim Anblick der Riesenmenge Stahl schlicht verpisst. Am Ende musste ich dieses vom Gravitationsfeld der Erde so heiß begehrte Eisenrohr irgendwie alleine unter die Karre wuchten. Das ist Männerarbeit, hat Ulli gesagt....Wie ich das Mistmoped die Außentreppe zu meiner Werkstatt hoch gewürgt habe ist mir bis jetzt ein Rätsel. Jedenfalls wäre ohne den Einfall, die Rollen meines Schweißgerätes  kurzerhand an die Achse zu schrauben, rein gar nichts gegangen und alle Beteiligten wären auf halbem Wege verreckt...

Auf dem Bild habe ich aber wieder gute Laune, weil die Achse recht heimatnah seitlich versetzt werden kann. Wo ist mein dunkles Weizenbier?

Hier ist die Abdichtung des Trieblings mit Atmosit zu sehen. Das schwarze Zeug muss auf alle Distanzringe drauf. Das mache ich als Zusatzmaßnahme zu der ohnehin vorgesehenen Dichtschnur. Dabei kommt es in alle Zwischenräume und verhindert auch das Eindringen von Feuchtigkeit. Zu lange Zeit hat man da nicht, da die Pampe recht schnell hart wird. Die Markierungen von der Tragbildanalyse habe ich mit Absicht auf dem Kegelrad gelassen.
Der Schmiernippel des Kreuzgelenkes der Antriebswelle wird versorgt. Da quatschte es tatsächlich aus allen vier Lagern heraus. Ich fettete anschließend noch die ganze Welle ordentlich ein, was Unmengen verbrauchte. Hat was von "Das Boot" wenn die Mannschaft die Torpedos einfettet. Darf ich Herbert. G jetzt auch ein öligen schwarzen Lappen ins Gesicht werfen?
Es folgt die typische Unimog-Prozedur:

1. Ritzelflansch mit Triebling einsetzen
2. Gefettete Montagehilfe über Wellenstummel stülpen
3. Schnur des Montagehilfe durch leeres Schubrohr nach vorne führen
4. Schubrohr auf Montagehilfe schieben und am Diff-Gehäuse anschrauben
5. An der Schnurr Montagehilfe nach vorne "Plopp" aus dem Schubrohr ziehen
6. Antriebswelle in das Schubrohr schieben
 

Mit einem Handtuch und einem Wagenweber lässt sich alles ganz fein für den nächsten Schritt ausrichten.

Ein kleines Video dazu (14MB)

Bei der Montage schraubt man zunächst nur die Antriebswelle auf den Antriebsflansch am Getriebe. Dabei darf der Abstand zwischen Schubkugel (hier jetzt nicht zu sehen) und Getriebe nicht zu groß werden, da sonst die lange Antriebswelle hinten vom Triebling herunter rutscht. Zum Glück ist das Achsgebilde, welches im Moment da dran hängt, vergleichsweise leicht. Für diese Schrauben fand ich kein Anziehmoment im Werkstatthandbuch. In so einem Fall gehe ich nach DIN-Liste vor. Es handelt sich hier um ein 12er Feingewinde. Die Schrauben haben die Festigkeit 10.9. Folglich sind 100 Nm kein schlechter Wert, da die Schrauben praktisch nicht belastet sind. Zusätzlich behandelte ich sie noch mit Schraubensicherung. Nicht vergessen, die Distanzringsammlung der Schubkugel vorher einzuhängen, sonst muss alles wieder ab.

Zwei Totenköpfe, da ich es nach der zweiten Schraube gemerkt habe...

Ein kleiner Trick zur Positionierung des Schubkugelgehäuses. Der Klimbim geht schlicht am schönsten zusammen, wenn das Schubrohr hinten nicht zu weit nach unten hängt. Das bedeutet aber in diesem Stadium, dass die Federteller der Hinterachse bereits in die Federn eingreifen und, in meinem Fall, die Konstruktion leicht vorspannen. Die Schubkugel will also nicht so recht an Ihren Getriebeflansch rücken. Mit zwei M 10er Gewindestangen, die jeweils Scheibe und Mutter erhalten, ist das gar kein Ding mehr und die Kräfte sind auch nicht sehr groß. Irgendwann greifen die Schrauben, die den Flansch fixieren. Der schwierige Part ist hiermit vorüber.
Das Anziehen der Schrauben der Streben geht mit der an der Schubkugel nun fixierten Achse sicherer. Glücklicherweise fanden die neuen Schrauben ganz kraftfrei Ihre Löcher. Die alten Schrauben waren mit dicken Scheiben versehen, die aber laut Teilekatalog und Aggregatheft gar nicht verbaut werden. Ich bestellte nur die erforderlichen Schrauben, Muttern und die dünnen Scheibchen, die auch noch das Langloch in der Achse abdecken. "So gehört das?" :
Die gleiche Verschraubung gibt es immerhin vorne am Schubrohr auch und da machte ich es vor 2 Jahren ganz genau so und kann mich ebenfalls an zweifelnde Gedanken erinnern. In jedem Fall klappt das Anziehen problemlos und offensichtlich hält es auch.
Wieder half ich mir mit Verlängerung und Federwaage. Das erforderliche Drehmoment von 350 Nm baut sich sehr gut kontrollierbar auf.
Auf dem Bild steckt der improvisierte Gegenhalter natürlich auf der falschen Schraube. Für das Foto mit der Kraftmesser-Baumarkt-Gemüsewaage ist die Knarre mal runter gefallen und wurde verkehrt wieder angesetzt.
Das vorbereitete Achsrohr erhielt einen neuen Dichtring. Dabei kommt die Feder der Dichtlippe nach außen. Mit ausreichend Fett ist der ganz ohne Sonderwerkzeug montierbar. Es geht beinahe von Hand, nur das letzte Stück drückte ich ihn mit einem kleinen  stück Holz in die Endposition.
Dieses Mal habe ich auch die Distanzscheiben in den Sitz des Radlagers eingesetzt. Mit ein wenig Fett halten die von selber.
Wie im Werkstatthandbuch beschrieben, dichtete ich die Kontaktfläche zum Vorgelege mit Atmosit ein, was sich hier hervorragend verarbeiten lässt. Natürlich darf man hinterher die Schraubenköpfe auch nicht vergessen.
Das Vorgelege und die Schutzbleche sind wieder montiert. So langsam kommt jeder Brocken wieder da hin zurück, wo er einst war. Das Abschluss der Arbeiten an der Hinterachse rückt näher. Noch zwei bis drei Feierabende und ich habe es geschafft. Die Bremszange lackierte ich bewusst nicht.
Hier verlege ich gerade die Bremsleitungen neu. Die alten waren zwar noch ganz brauchbar, aber nach so vielen Jahren gehen die auf den Schrott. Auf dem Brett sind die dafür unbedingt nötigen Werkzeuge zu sehen, eine Rohrbiegemaschine und ein Stück Kleiderbügeldraht. Mit dem Draht macht man sich jeweils eine Schablone für die kniffeligen Biegungen, die man dann auf die Bremsleitung überträgt. Prima sieht sie aus, meine frisch sanierte und auf 0 km restaurierte 747111 mit dem Effektivbaujahr 2014.
Ja, die Details sind natürlich auch wichtig, da kommt Freude auf. Die neuen Bremsleitungen blinken regelrecht. Die Leitungen gibt es vorkonfektioniert und exakt auf Länge gebracht als ungebogenes Rohrstück von Mercedes. Bislang passten die jeweiligen Längen perfekt.

Ein kleiner Trick zur Montage der Bremsscheibe und der Radnabe. Um nicht zwei schwere Brocken auf das Lochbild der Achse ausrichten zu müssen, gibt es bei DB zwei Montagedorne. Die sind aber nicht nötig wenn man folgendermaßen vorgeht:

Die Bremsscheibe wird in die Beläge eingefädelt und mit zwei Nabenbolzen fixiert. Dann spannt man mit einer Feder oder einer Gepäckspinne den Hebel der Feststellbremse vor, wodurch die Bremsscheibe von der Zange gehalten wird. Das hält sie fest, auch wenn man die Bolzen wieder herausdreht. Anschließend setzt man an die geklemmte Scheibe die Radnabe an und dreht die10 Bolzen ein. 

Mein Drehmomentschlüssel endet bei 200 Nm. Die sind Ruck-Zuck auf jedem Bolzen, nur die geforderten 300 Nm müssen wieder mit Hebel und Federwaage erzeugt werden. Hier lässt sich ganz gut die Rechnung mit dem Hebel und der Waage kontrollieren, da jede Schraube ja schon 200 Nm hat. Hier reichte die Klemmkraft durch die Feder am Handbremshebel nicht mehr aus und ich fügte noch einen Holzkeil hinzu, um die Welle zu blockieren.
Die Federspeicher sind häufig ein leidiges Problem. Da gehen die Gummibälge kaputt und mit der Zeit erledigen Schmutz und Wasser den Rest. Die Folge ist eine Undichtigkeit und damit ein schleichendes Abblasen der Druckluft. Aus einigen Fittings baute ich einen Anschluss an die Werkstattluft. Damit fährt der Zylinder aus und kann auf Dichtigkeit überprüft werden. Zum Glück war dies der Fall und trotz der kleinen Risse, die beide Manschetten schon hatten, zeigten die Speicher eine einwandfreie Funktion und nur wenig Verschmutzung. Aufgepeppt mit frischem Lack und ordentlich eingefettet werden die Teile wieder eingebaut.
Hier befindet sich der besagte Federspeicher wieder an Ort und Stelle. Die Montage geht eigentlich ganz einfach. Der Zylinder wird im Langloch auf das alte Maß von 244 mm ausgerichtet, wie zuvor schon beschrieben. Der Notlösemechanismus ist ganz leicht und nur mit Handkraft auszulösen, wenn er noch nicht unter Kraft eingerastet ist. Dazu zieht man einfach die Krempe an der Gabel für den Bolzen nach außen, was die drei Verriegelungskugeln frei gibt. Damit gleitet das Stück auf der Stange des Speichers hin und her und in jeder Position bekommt man den Handbremshebel angeschlossen. Dann bedruckt man das ganz am Fahrzeug und der Mechanismus rastet ein. Damit ist die Feststellbremse aktiviert.

Ein kleines Video dazu (14MB)

 

Sämtliche Anschlüsse, Rohre, Schellen und Schläuche sind erneuert worden. Die 10er Hydraulikleitung, die am Unimog die Druckluft zu den Federspeichern bringt, ist ebenfalls nagelneu. Um die verzinkten Leitungen zusätzlich zu schützen überzog ich sie mit Schrumpfschlauch, was auch optisch besser aussieht. Schon toll, wenn das alles wieder fit gemacht wird und wahrscheinlich besser ist als es seinerzeit bei der Herstellung war. Dies ist ein durchaus befriedigendes Stadium einer Sanierung...

Einen weiteren Tag später stand der Ullimog wieder auf seinen Rädern, alle Ölstande waren mit frischem Getriebeöl aufgefüllt und die Bremse war entlüftet. Der Achsbau der Hinterachse ist nun arbeitstechnisch ganz abgeschlossen. Sogar der Tacho wurde getauscht und angeblich eignet er sich auch für die schnelle Achse. Eigentlich stünde einer Probefahrt nichts im Wege, bis auf die Tatsache, dass der Mog seit fast einem Jahr abgemeldet ist. Die folgende Entscheidung reifte eigentlich schon seit dem Projektstart vor 4 Wochen...
Ich mache TÜV und melde die Karre an. Das hat bei aller unausgestandenen Ungeduld auch einige handfeste Vorteile. Da denke ich zunächst an den Bremsentest, der bei dem Abschluss der ganzen Arbeit, inklusive Vorderachse, zumindest eine Achse als funktionstüchtig bestätigt. Ferner bedeutet dies eine weitere Bestätigung der Richtigkeit des Umbaus. Sollte die Achse versagen oder heiß werden, kann ich meinen Fehler vielleicht finden. Sollte sich der Umbau als Käse erweisen, muss ich nur eine Achse auf 22:7 zurückbauen.
Aber eigentlich war ich nur so endlos kacke neugierig auf die Auswirkungen. Einfach auf die Autobahn mit der Mühle und mal Kit geben. Also fuhr ich mit zwei unterschiedlichen Achsübersetzungen und ausgebautem Allradschalter zur Prüfstelle.

Das Untersuchungsergebnis: "ohne Mängel"

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Aber nun zum eigentlichen Ergebnis, denn kein Stempel lässt ein Auto besser fahren, eine andere Achsübersetzung hingegen möglicherweise schon. Wer jetzt die große Lobeshymne oder den euphorischen Aufschrei eines Vorbelasteten erwartet, der liegt daneben. Natürlich stehe ich einer Sache, in die ich so viel Arbeit, Hirnschmalz und Geld investiert habe, nicht unvoreingenommen gegenüber. Ich will mich an dieser Stelle bremsen, die schnelle Achse in höchsten Tönen zu loben und so Dinger wie "Nie mehr ohne" oder "Pflichtausstattung für Reiseunimog" oder gar "Grundvoraussetzung" will ich ganz vermeiden. Bei aller Begeisterung geht es um eine nüchterne und rein technische Beschreibung des Umbaus.
Zunächst verhält sich die 23:9 Achse exakt so wie ich es zuvor theoretisch analysiert habe. Das reicht zur Umschreibung aber nicht aus, denn die Fahrpraxis ist ebenso entscheidend. Der Alltag spielt sich vornehmlich im Teillastbereich ab und hier versagen diese Überlegungen. Da zählen auch typische Verkehrsgeschwindigkeiten oder Gewohnheiten, die mit der Auslegung auf maximalen Vortrieb wenig gemein haben. Schließlich fährt man nicht immer Vollgas und auch die Steigungen sind in der Regel flacher als in der jeweiligen Fahrstufe fahrbar.
Beim Verlassen des Hofes bemerkte ich zunächst keinen Unterschied und selbstverständlich stand mein Getriebewächter jetzt immer auf "Hinterachsdifferenzial". Auch aus unserem Dorf heraus und in dem langsam fließenden Berufsverkehr nach Darmstadt hinein zeigten sich nur die nun veränderten Schaltgeschwindigkeiten. Das Anfahren im 5. Gang funktionierte noch, wenn auch mit etwas mehr Kupplungskrieg, sofern ich das recht erinnere.
Als durchaus angenehm empfand ich die Tatsache, nun zügig im 7. Gang mit 50 km/h im Stadtverkehr zu fahren. Früher fuhr ich in der Stadt grundsätzlich im 8. Gang, weil er sonst so brüllte. Jetzt hat man für diese Fahrsituation 2 brauchbare Gänge, nämlich 7 und 8. Verbessert ist das Beschleunigen aus dem Stadtverkehr hinter dem Ortsschild. Da zieht er jetzt etwas schneller, was auch die Diagramme schon ankündigten. Leichte Steigungen, wie bei uns im Odenwald, meistert er trotzdem weiterhin im 8. Gang. Die Fahrten über Landstraßen sind insgesamt auch angenehmer, da der Vortrieb im relevanten Bereich besser ist und man schön niedertourig fahren kann, sofern keine Leistung benötigt wird. Den größten Unterschied zu früher aber gab es aber auf der Autobahn. Da wanderte die Tachonadel bei 90 km/h einfach munter weiter, passierte die Höchstmarke 100 km/h und pendelte sich bei angezeigten 110 km/h ein. Die Tachoskala endet bei 100 km/h, also ist dies ein Schätzwert. Das GPS meldete 107 km/h, was ich als genau erachte. Der Drehzahlmesser ist hier auch bei der Höchstmarke 2900 U/min angekommen. Um die 107 km/h letztendlich zu erreichen braucht er allerdings einen langen Anlaufweg. Schon bei wenig Gegenwind oder einer flachen Steigung packt er diese Höchstgeschwindigkeit nicht mehr. Meine Einschätzungen, die ich am Anfang machte, liegen also gar nicht so falsch.
Aber das allercoolste sind die gar nicht mehr aufdringlichen 2300 U/min, mit denen er nun so zwischen 80 km/h und 90 km/h voranbullert. Legal ist ohnehin nicht mehr drin und eigentlich war das auch das Ziel. Diese Reisedrehzahl liegt nun deutlich näher am maximalen Mitteldruck, was auch eine gewisse Treibstoffeinsparung bewirken wird. Zudem verhält sich der Motor in diesem Band etwas knackiger und der "Durchzug" hat kaum gelitten. Das was nun durch die schnelle Achse an Raddrehmoment fehlt, kompensiert der Unimog hier  teilweise mit der Motorkennlinie. Die Geräuschemission bei dieser Reisegeschwindigkeit ist drastisch reduziert, dafür brauch ich keine Messung. Der Verkehrswert und die Ferntauglichkeit auf Asphalt haben sich somit merklich verbessert. Die Achse wird nicht warm und ist absolut dicht.

 

Ding Dong Motherfucker Ding Dong

 

Ja und da war doch noch eine Achse, oder? Jetzt darf der Schaffensdrang nicht abreißen und so gehe ich nahtlos zur Vorderachse über. Das Aufbocken ging deutlich einfacher als erwartet. Vorne fehlt nämlich die Möglichkeit zentral den Hydraulikwagenheber anzusetzen. Dank Stabi ist es aber gar nicht nötig und so drückte ich einfach einseitig unter den Rahmen. Das Fahrzeug "hängt" dabei kaum schief und mein Stahlgestell kann ganz prima unter den Rahmen geschoben werden. Dafür hob ich den Unimog etwa 15 cm aus den Federn. Damit lastet ein Großteil des Gewichtes nun auf dem Gestell. Das sind immerhin knapp drei Tonnen, wie ich auf der Waage beim TÜV erfuhr, als die Achslasten überprüft wurden.
Anschließend lassen sich die Räder mit dem Heber jeweils ein paar Zentimeter hochheben und abbauen. Dann gibt es Platz und Licht an der Vorderachse.
Zur Sicherheit unterbaute ich alles mit jeder Menge Gehwegplatten. Die Radbolzen gehen mit dem Schlagschrauber prima ab und man muss auch den Antrieb nicht blockieren. Das blanke Metall behandle ich gerne mit weißem Fett, besonders wenn alle 5 Minuten ein Gewitterschauer runter geht.
Das Abschrauben des Vorgeleges verläuft im Prinzip wie bei der Hinterachse. Diesem Mal muss man nur etwas akribischer die Bolzen suchen. Die oberen verstecken sich im Achsschenkel und die unteren sind richtig lang führen sogar durch den Spurhebel. Die beiden Bremszangen bleiben montiert und dienen als Griffe. Damit lässt sich das Gefüge bestens bewegen und herunter heben. Das Gewicht ist durchaus erträglich.
Die unteren langen Bolzenschrauben, die durch das untere Achsschenkellager führen, eigenen sich hervorragend als Montage- bzw. Demontagedorn.

 

ein großes Video dazu (32MB)

 

Es zeigt sich ein weiterer Schaden. Die Lauffläche für das äußere Rollenlager sah böse aus. Den Spuren nach hat sich wohl einmal die Schraube, die das Zahnrad gegen die Antriebswelle hält, gelöst und für Späne gesorgt. Offensichtlich wurde der Schaden aber repariert, wobei das Zahnrad für "weiter verwendbar" eingestuft wurde. Ich möchte es dennoch ersetzen, selbst wenn dieses Schadensbild nicht für erhöhten Abrieb im Vorgelegeöl gesorgt hat. Das Zahnrad muss sowieso runter und wieder einmal fällt das Wort "Sonderwerkzeug"
Wenn ich nicht lüge, wenn der Verkäufer kein Auge zudrückt oder seine Vorschriften beherzigt, wenn ich nicht irgend eine Kumpelaktion abziehe oder sonst einen albernen Kindertrick anwende, wenn ich keine Mercedes-Werkstatt betreibe und meiner grundehrlichen Einstellung fröne, dann verkauft mir Mercedes nicht das Sonderwerkzeug zum Blockieren des abgebildeten Stirnrades. Ich will das Teil aber als Privatmann für meinen unbedingt gewerbefreien Unimog kaufen oder eben gar nicht. Tricks sind für Falschspieler.
Daher baue ich es aus diversen Schrottstücken und einem alten 16er Bolzen einfach selber. Ich mache das aus Protest gegen eine Firmenphilosophie und nicht um die knapp €60.- zu sparen. Durch die zylindrische Form entsteht eine ideale Kontaktierung zu den empfindlichen Zahnflanken. Durch das Anpassen mit der Gripzange greift die Vorrichtung praktisch spielfrei in das Zahnrad ein.


Total-Ass

Thomasitos ober tolle Apparatur löst alle saufesten Schrauben

In der Tat benötigt die zentrale Schraube im Zahnrad ein großes Lösemoment. Dazu ist sie mit hochfester Schraubensicherung versehen, was die Sache nicht einfacher macht. Der Schlüssel ist so anzusetzen, dass zusätzlich eine Kraft entsteht, die das nur noch schwach gelagerte Zahnrad in die Vorrichtung drückt. Damit klappt das aber dann problemlos. Bei mir kam die Schraube einige Gewindegänge heraus und die Verzahnung zur Gelenkwelle rastete aus. Leider war in dieser Situation das erforderliche Drehmoment wegen der vielen Schraubensicherung noch so hoch, dass sich die Gelenkwelle mitdrehte. Zum Glück reichte es aus, die Welle am Doppelgelenk festzuhalten.
 

Die Achse geht natürlich zum Sandstrahler und da müssen sämtliche Schotten dicht gemacht werden. Zufällig passen die Dosen der Supermarktkassen-Tankstellenkaugummis genau in die inneren Dichtringe und stoßen schließlich innen am Lager an. Damit wechsle ich die Dichtungen vermutlich erst nach dem Lackieren. Ja, das Papieretikett sollte natürlich vorher runter.

Is krasse Trick, Alter, ich schwöre dir.

Machst Du auch?

Machst Du auch?

 

Der kleine Mann von nebenan hat eben keine Grube mit Böcken. Er hilft sich mit Gehwegplatten und Holzresten. Das Schubrohr hängt, wie immer, an einem kleinen Spanngurt und entleert sich über Nacht in den Kanister. So sehr ich es auch versuchte, ganz ohne Ölflecken habe ich es einfach nicht hinbekommen. Den Gau erlebte ich, als ich das Achsöl abließ. Natürlich fiel die Stopfenschraube in den Trichter und dichtete diesen ab. Also war er binnen 2 Sekunden voll und drohte überzulaufen. Ich steckte geistesgegenwärtig einen Finger in den Ablass um weiteren Ölausfluss zu verhindern. Dummerweise ist das eine Schachmatt-Zwickmühle erster Güte, denn so komme ich ja nicht mehr weg. "Denke in Ruhe nach, du hast Zeit", dachte ich mir. Leider dichtete der Stopfen nahezu perfekt, denn das Ölniveau im Trichter sank gar nicht. Nach 5 Minuten bekam ich einen Krampf im Finger. Irgendwie schaffte ich es trotzdem, mit dem Fuß an ein Ölfass heranzukommen und den Trichter zu entleeren. Es war eine Riesensauerei und ich habe anschließend alle beteiligten Lappen und Handschuhe weggeworfen.

 

Die weitere Demontage ist "Staightforward" und Ruck Zuck hatte ich den Ritzelflansch und das Schubrohr draußen. Die Streben lasse ich so am Rohr und bereite es für den Sandstrahler vor. Dazu bedeckte ich die Kugel mit Klebeband und den Flansch hinten verschloss ich mit einer runden Sperrholzplatte, die durch zwei Schrauben gehalten wird. Ich kann es kaum erwarten, das Ding wieder blank zu machen.
Schwierigkeiten bereitete der hintere Wellendichtring, der einfach nicht aus dem Loch heraus wollte. Mein Bastelauszieher von vor 2 Jahren versagte an dem störrischen Ringgeist. Ich baute diverse Aushämmerkeile und versuchte das Teil mit der Gripzange zu packen. Alles erfolglos, immer wenn ich ein Blechstück des Rings zu fassen bekam, riss es einfach ein. Die Dreckssau kostete mich 1,5 Stunden, aber den Endsieg trug ich dennoch davon, Jawohl. Auf dem Bild sieht man den alten Wedi auf dem Tisch liegen, das Mistding.

Das rauchende Schlachtfeld und der strahlende Sieger. Solche Aktionen halten schon ordentlich auf und eigentlich hatte ich vor, die Achse heute noch ganz aus zu bauen. Na, ja morgen ist auch noch ein Tag.
Der Ring war nebenbei auch nicht mehr frisch. Ich hatte zwar keinen größeren Ölverlust an der Vorderachse, aber der stand unmittelbar bevor. Die Dichtlippe, sowie alle weiteren Kunststoffteile des Simmerings ließen sich einfach mit zwei Fingern abziehen und zerbröseln. So gesehen war die ganze Berserkerei wenigstens nicht umsonst. Eigentlich müsste ich jetzt ein Bier trinken, aber ich habe mir nach der beendeten Fussball-WM striktes Alkoholverbot verordnet.

Dieses Mal gebe ich mir die mörderische Schlepperei nicht, sondern zerlege alles an Ort und Stelle in handgerechte Brocken, die sich wenigstens einigermaßen bewegen lassen. So eine Dreckbuddelei ist eigentlich nicht mein Ding, aber in diesem Fall spart es noch eine Menge Schweiß, gerade bei den 35°C, die derzeit hier wieder einmal herrschen. Da tropft am Ende auch noch was auf das edle Metall, wobei jeder weis, wie korrosiv das ist. Es lebe der 3/4 Zoll Schlagschrauber.
Als wir den Mog 2004 kauften, bildete ich mir ein, ja eine relativ frisch gewartete Vorderachse zu erwerben. Leider hat sich jetzt herausgestellt, dass dies nicht so viel ausmacht. Die Schäden, die ich im Laufe der Restauration entdeckte, wurden entweder nicht repariert oder traten kurz nach der Überholung auf. Beides spricht nicht gerade für die Qualität der Materialerhaltungsmaßnahme. Vielleicht war es auch einfach nur Pech. Jedenfalls wird das jetzt anständig gebaut. Alle Achsteile werden abgedichtet und für den Sandstrahler vorbereitet.
In der Zwischenzeit geht es an die unzähligen Kleinbaustellen und an das Sichten der Einzelteile. Das kleine Rollenlager möchte ich mit natürlich genauer anschauen und so muss es heraus. An der Hinterachse konnte ich es beinahe von Hand herausziehen, was mit hier nicht gelang. Wieder einmal muss improvisiert werden. Aus zwei 8er Schrauben und einem Stück Vollmaterial baute ich einen kleinen Abzieher, wie auf dem Bild gezeigt. Die Schraubenköpfe greifen unter die Rollen und mit einer zentralen Gewindestange kurbelte ich das Lager heraus. Das ging erwartungsgemäßeinfach und brauchte nur wenig Kraft.
Das ist die Seitenansicht des improvisierten Abziehers.
Die Verschleißhülsen der Gelenkwellen sind etwas eingelaufen. Besonders tief sind die Riefen nicht, aber wenn ich schon mal alles auseinander habe, dann doch bitte "Mit Allem". Mit der Flex schwächte ich die Hülse etwa auf den halben Querschnitt. Dann reichen ein paar Schläge mit dem Hammer und das Ding reißt ein.
 

Der nächste Arbeitsschritt ist etwas kniffelig und daher habe ich mir eine kleine Aufschrupf-Montagehilfe gebaut. Dafür nahm ich ein Rohrstück (Innendurchmesser 50 mm) und befestigte mit vier Schweißpunkten daran einen gedrehten Ring. Der Ring hat eine Nut, in die eine neue Verschleißhülse genau herein passt. Die frische Hülse muss, zusammen mit dem Hilfswerkzeug,  bei 250°C in den Backofen. Die Temperatur ist erreicht, wenn das Stahlteil die richtige Anlassfarbe hat. Als Daumenwert gilt da: goldene Färbung = 200°C, blaue Färbung = 300°C. Wenn das Teil also anfängt blau zu werden, dann ist es "gar". Jetzt sollte man schnell arbeiten und mit Topflappen oder Handschuhen die Teile ganz flott packen, umdrehen und gemeinsam in die Endposition fallen lassen. Meine Komforte wird in dem Moment zum Aufschiebehammer. Die Verschleißhülse schrumpft sich auf der Gelenkwelle fest und das Hilfswerkzeug nimmt man einfach wieder ab. Das Konstrukt bekommt natürlich auch einen Namen:

Backofen-Stülphammer

 

 

 

Beide Gelenkwellen sind 100% in Ordnung, spielfrei und haben obendrein 0 Kilometer auf der Verschleißhülse. Selbst wenn ich bei Mercedes eine nagelneuen Unimog ordern würde, hätten dessen Gelenkwellen-Verschleißhülsen mehr Strecke hinter sich als meine. Im Bild sieht man auch noch einmal das Hilfswerkzeug inklusive der blauen Anlassfarbe.

 

 

Ein kleines Video dazu (3MB)

 

Der zweite Triebling ist angerichtet. Ich zog zu diesem besonderen Anlass sogar eine weiße Tischdecke auf. So macht das Laune und wenn da noch schön die Sonne in die Werkstatt scheint...

 

Der vordere Simmering wird ebenfalls getauscht. Im Prinzip geht das genau wie bei dem Wellendichtring der Hinterachse. Diese Form der Drehmomentstütze habe ich schon mehrfach angewendet. "Mach doch Allrad rein und gut is" hörte ich da schon. So muss ich aber nicht unter dem Auto hervor kriechen und wie sich das Getriebe im Leerlauf ohne Öl verhält, ist auch die Frage. In dieser Situation sollte man das nämlich abgelassen haben. Druckluft braucht es nämlich schon um den Allradantrieb zu aktivieren und dafür müsste der Motor laufen. Lange Rede kurzer Sinn, so geht es einfach besser.
Den alten Wellendichtring zog ich mit dem Spax-Trick. Dieser ist eigentlich unter Auto-Schraubern gut bekannt und üblich. In die Metallfläche des Wedis bohrt man ein 3 mm Loch und dreht eine kräftige Mehrzweckschraube mit grobem Gewinde ein. Mit einer Zange wird das ganze gepackt und mit dem Montiereisen herausgehebelt.
Die Achsschenkelbolzen besitzen Dichtungen, die ebenfalls erneuert werden. So ganz einfach gehen die leider nicht ab. Mit einem Stemmeisen und ein wenig Gefühl bleibt der Heimwerker aber Sieger
Der Austritt der Gelenkwelle ist mit zwei Dichtungsringen versehen. Mit dem Spax-Trick bekommt man aber auch die heraus. Die Nadellager habe ich ebenfalls ausgebaut. Das geht mit vier Fingern und ein wenig Kraft ohne Werkzeug. Selbstverständlich müssen die Federringe dazu ebenfalls heraus, was nicht ohne Werkzeug geht. Die Käfige spülte ich ordentlich mit Verdünnung und wusch damit auch die letzten Reste des Quarzsandes heraus. Wie trotz bester Abdichtung immer eine kleine Menge Strahlgut im Inneren des Achsrohres ankommt, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls sollte das scharfe Zeug tunlichst gänzlich entfernt werden.
Mein Torf-Kot Abzieher (siehe Hinterachse) versagte an dieser Stelle leider kläglich. Unter diesem speziellen Laufring befinden sich nur ganz wenig Distanzscheiben und der Gusskörper ist irgendwie etwas größer als achtern. Jedenfalls rutschte meine Komforte immer wieder von der winzigen Kante des Rings ab. Natürlich bewegte dieser sich zunächst nicht. Also schweißte ich ein gebogenes Stück Flachstahl auf ein 2 Meter langes Quadratrohr. An das Blech feilte ich eine runde Klinge, die sich unter den Lagerring stemmt. Das Rohr wird ganz in die Achse gesteckt und guckt nun an beiden Enden heraus. Mit einer Hand halte ich es Achsflanschseitig nieder und auf das andere Ende gibt es Schläge mit dem Fäustel. Ganz langsam, immer im Kreise herum trieb ich den Belzebub schließlich aus. Hurra, wieder mal ift der Fieg mein. Jetzt brauch es doch noch einen Namen, das tolle Ding nennt sich ganz hessisch:

Uffbasse

Ultra Flank Force Ballistik Austreiber & Sonderwerkzeug spar Einrichtung

Das Differential wird geöffnet und begutachtet. Die Zahnräder und die Wellen sowie die Reibsteine sind einwandfrei. Die Stirnseite des Getriebekorbes zeigte an der Kontaktstelle zu dem Tellerrad leichte Fretting-Spuren. Auf dem Bild ist es nicht ganz leicht zu erkennen. Es handelt sich um die farblosen Spuren zwischen den Bolzenlöchern. Ich informierte mich und hörte aus mehreren Ecken, dass dieses Problem mit den Mikrobewegungen an diesen Bauteilen vorkommen kann und kein Problem darstellt. Ich bearbeitete alles mit Montagespray und baute es mit dem nötigen Drehmoment wieder zusammen.
Selbstverständlich erhält auch die Vorderachse den Schmiernippel zum Nachfetten der Schubkugel. Wie ich das unter "Restauration" bereits beschrieb, braucht es hier eine Bohrung für ein M10 x 1 Gewinde. Diese kommt an einer geeigneten Stelle in das Schubkugelgehäuse. Der genaue Abstand von der Vorderkanne, hier im Bild rechts unten, beträgt 73 mm. Dann trifft man mit dem Schmiernippel genau zwischen die beiden Lagerschalenpaare.
Die Gelegenheit ist günstig um die Einstellung, sprich die Vorspannung, der Schubkugel zu überprüfen. Da gibt es zwar so ein Dummy-Werkzeug mit Drehmomentschlüssel, aber die beste Methode ist meiner Ansicht nach die Verifizierung der tatsächlich vorhandenen Hardware mit dem Original Getriebeflansch. Dazu baute ich das Schubrohr mit den nötigen Distanzringen ein und brachte es in "Fahrposition". Das Rohr muss einigermaßen stramm sitzen. Ein guter Richtwert ist erreicht, wenn das Rohr von selbst "gerade so" seine Position und damit sein Eigengewicht hält und nicht "herunter rutscht". Der Kraftaufwand es zu drehen oder es nach links und rechts zu bewegen sollte etwa gleich sein. Wenn es sich nicht mehr bewegen lässt, ist es zu fest. Wenn es von selbst "runter" fällt ist es zu locker. Das macht man natürlich mit frisch gefetteter Schubkugel.
Die Einstellung meines Schubrohres hat demnach all die Jahre gepasst.
Das Achsrohr ist gereinigt und total demontiert. Dazu musste ich mehrere Becher mit Verdünnung durch das verschmutzte Rohr laufen lassen. Das erinnerte mich seltsam an das Waffenreinigen beim Bund. Rechts oben ist in der hellen Stelle wieder das eingravierte Maß "B" zu sehen.

"B"=33,07 mm

Auf dem Bild gibt es gleich zwei Maße, nämlich "F" und "D".

"F"=33,00 mm

Ja, auch dieses Tellerrad ist vom Hersteller genau gefertigt. Diese Größe hat ja auch mit der eigentlichen Zahnradschleiferei nichts zu tun.
Etwas interessanter ist da einmal die Fertigungszahl "612" und das Zahnradspezifische Maß:

"D"=76,97 mm

Anschließend ermittelte ich mit der eingelegten Sperre das Maß:

"E"= 35,20 mm

Dazu gibt es in dem Fall kein Bild. Nicht vergessen, nur die kupferfarbene Gleitscheibe darf dabei zwischen Sperrenkolben und Sperrenklaue liegen.

S2=E-(F+a)=35,20-(33,00+0,5)=1,70mm

Das Maß erscheint zunächst hoch, stimmt aber. Ich legte demnach 3 Stück 0,5 mm Distanzscheiben ein und überprüfte das sich so einstellende Klauenspiel von 0,7 mm wieder mit der Lötzinnmethode. Es passte haargenau. weiter geht es mit der Größe S3.

Das interpretiere natürlich als 29 mm.  Die lausigen zwei Hundertstel sind mit Sicherheit Messfehler, die sich bei diesem Verfahren schnell mal einschleichen.

"C"=29,00 mm

Hier gibt es auch wieder ein Maß "A". Wie bei der Hinterachse beträgt es

"A"=74,93 mm

Womöglich ist das immer so, aber da fehlt mir der Vergleich. Jedenfalls ist mit diesen Daten das Ermitteln der ersten Distanzscheibenstärke möglich.

S1=(A+B)-(C+D)=(74,93+33,07)-(29,00+76,97)=2,03 mm

Damit lege ich unter das große Hauptlager 2 x 1 mm Distanzringe ein. Ich nahm mehrfach Maß und konnte mit unterschiedlichen Messverfahren feststellen, dass die Ringe ganz geringfügig größer sind, als angegeben. In meinem Fall kam ich mit zwei Distanzscheiben genau auf 2,03 mm.
Selbst mit Pressung und diversen Mikrometerschrauben ermittelte ich immer etwas mehr als die erwarteten 2 mm.
Ein wenig Raum für Spekulation hingegen lässt das Achsmittelgehäuse. Da ist dem Mechaniker beim Einschlagen wohl die "eins" verrutscht. Nach meinem Dafürhalten soll das "81" bedeuten. Wir haben Gehäusebreite 140 mm, also beträgt:

"J" =176,81

Wieder liefert diese Messung umlaufend leicht schwankende Werte. Ich entschied mich für:

"H" =92,00

Last but not least:

"G" =85,82

Coole Schwarz-Weiss Aufnahme finde ich. Die Fertigungszahl "612" stimmt mit dem Tellerrad überein. Aber Hallo und überhaupt und so.

S3=G+H-J=85,82+92,00-176,81=1,01 mm

Jetzt befindet sich die Differentialsperre im kurzen Achsrohr, was nicht mehr ganz so komfortabel ist. Ich beute mit aus einer Dachrinnenschelle und diversen Holzklötzen eine Halterung. ´Dabei hatte ich immer Angst, dass das Rohr umfällt. Daher der Strick, der im Notfall Schlimmeres verhindern soll. In dieser Position lässt sich aber die Tragbildanalyse hervorragend durchführen.
So geradeaus wie bei der Hinterachse wollte das Einstellen des Antriebs an der Vorderachse allerdings nicht gelingen.
Ich tiefgekühlter Fahnenschwenker hielt es aus irgend einem Grund für sinnvoll für das ermittelte Maß S1 einen Aufschlag einzulegen.
Bei der Hinterachse legte ich für die ermittelten 1,86 bekanntlich 1,9 ein, weil nur so das Flankenspiel hinterher stimmte. Da kam aber eigentlich nur der Perfektionist durch, den mit den 1,86 lag es
bei 0,25mm. Die 4 Hundertstel zusätzlich reduzierten es auf knapp 0,2 mm. Vermutlich wäre beides in Ordnung gewesen, denn das Handbuch fordert 0,15-0,2 mm. Das Tragbild war in beiden Fällen gut.
Mit dieser Erfahrung im Kreuz legte ich also 2,1 mm für S1-Vorderachse ein, da ich von der gleichen Tendenz ausging. Leider ist dieses Maß so eine Art Grundstein, da sich sowohl das Maß S2 und S4 davon ableiten, sprich eingehen. Das macht jeden Schritt der "Verschlimmbesserung" zu einer zeitraubenden und anstrengenden Angelegenheit. Da ich mich auch noch vermessen habe und aus Versehen eine 0,15 Distanzscheibe einlegte passt natürlich gar nichts mehr. Das Tragbild lag voll daneben und auch das Flankenspiel war viel zu klein. Mit einem Klingelnberg-Einstellblatt aus dem Netz, was die typischen Tragbilder und die notwendige Maßnahmen beschreibt, versuchte ich das Ganze zu optimieren. Das bedeutet immer alles auseinander- und wieder zusammenbauen. So ein Schritt kostete mich jeweils einen Babyphone-Feierabend und nach drei Tagen ohne nennenswerten Erfolg krabbelte ich völlig erschöpft neben Ulli ins Bett und erzählte Ihr von meiner Pein.
Sie hielt mir einen gehörigen Vortrag von Wegen: "Seit Jahren erzählst Du wie Dich diese Ausdistanzierung reizt und interessiert, wie Du daran herum tüfteln willst und wie Dich diese komplexe mehrparametrische Einstellprozedur anfixt. Jetzt bist Du genau da, wo Du all die ganze Zeit hin wolltest, jetzt liegt die zerlegte Achse endlich offen in Deiner Werkstatt, jetzt bist Du am Ziel Deiner Träume." "Und nun beschwerst Du dich?" "Freu Dich doch, was Du alles lernst, was für Erfahrungen Du machst und das es tatsächlich aufwendig ist. Wenn ich eine Prüfreihe mit so vielen Parametern habe, muss ich auch eine Weile probieren, bis es letztendlich passt. So etwas ist eben nicht immer ganz einfach". "Je schwieriger es ist, desto mehr freust Du Dich doch hinterher immer darüber".
"Soll ich was dazu sagen", fragte ich. Ulli nickte.
"Ja".

Wie so oft hatte sie ganz recht und ich riss mich zusammen und widmete mich am Folgetag ganz in entspannt den edlen Unimog-Brocken. Siehe da, probier es mal mit Ruhe und Gemütlichkeit und dann klappt das auch. Ich kann an dieser Stelle nur die folgende Erfahrung weiter geben:

◊◊◊


Das Arbeitsblatt liefert durchaus akzeptable Werte und lag in meinen beiden Fällen schon ganz richtig

Das Flankenspiel sollte man nur über die Scheibe S1 einstellen, auch wenn die Scheibe S3 es auch beeinflusst

Zunächst S2 und S4 ignorieren. Es muss allerdings sicher gestellt sein, dass das kleine Lager spielfrei läuft.

S2 lässt sich auch ohne das Maß "E" bestimmen. S4 kommt ganz zum Schluss.

Dickere Scheiben für S1 und S3 bewegen die Kontaktfläche auf der runden, relevanten Vorwärtsseite des Kegelrades von der Stirnfläche weg.

Dünnere Scheiben für S1 und S3 bewegen die Kontaktfläche (Tragbild) zur zur Stirnfläche hin.

Wenn man nachoptimiert, sind nur ganz kleine Schritte bzw. Abweichungen vom Arbeitsblatt nötig.

◊◊◊

 

 

Die Distanzierung

♣♣♣

Der Achsantrieb hoch kompliziert, läuft nur wenn richtig distanziert
Kegeltrieb und Tellerrad mit Zähnen rund und nirgends grad

die greifen wenn gut ausgemessen, ineinander unterdessen.
Herr Klingelnberg hat aufgeschrieben, wie die Dinger richtig liegen
Möglichst gut positioniert, nach Maßen sorgsam eingraviert
läuft der Antrieb still und kühl und so lange wie man will
Das gilt es zu übertragen, in die Rohre unterm Wagen


Im Werkstattbuch von dem Gefährt,  wird der Leser aufgeklärt
Mit Formeln welche schwer zu merken, berechnet er die Scheibenstärken
Da er dem Arbeitsblatt vertraut, er diese schließlich auch verbaut
und die Sammlung ungehemmt, unterm Lagerring einklemmt
So müsste,  wenn korrekt verstanden, alles in der Mitte landen
Eingriff, Tragbild, Flankenspiel, der Lagerspannung nicht zu viel
und auch die Sperre funktioniert, fertig aus und wie geschmiert

Leider wie so oft im Leben, geht das nicht mal so mal eben
Im Prozess es Fallen gibt, was das Ganze dann verschiebt
Auch ist das Tragbild nach den Zahlen, nur nahe bei der Idealen
das Flankenspiel das wichtig ist, ist nichts für den Perfektionist
Will man beides optimieren hilft nur zerlegen und probieren
Mit Ringlein fein und richtig dünn, mit kleinen Schritten her und hin
Kann man nach vielen Fehlversuchen, den Volltreffer für sich verbuchen

♣♣♣

So und nicht anders sollte das Tragbild aussehen. Zur Zahnflanke hin fehlt zwar auch etwas Farbe, aber das ist später passiert. Wichtig ist eine zentrale Kontaktfläche die nirgends den Zahnrand erreicht. Das Flankenspiel liegt mit 0,15 mm auch ideal. allerdings ist dies nun das Ergebnis von mehreren Wiederholungen und mehreren Versuchen mit unterschiedlichen Scheibendicken. Für dieses Resultat musste ich S3 erhöhen. Anstatt der ermittelten Stärke S3=1,01 mm, legte ich 1,2 mm ein. Mit nur einer 1 mm Scheibe passte das nicht. Die Reibstelle befand sich ganz vorne, nahe der Stirnfläche. Mit einer zusätzlichen 0,1 mm Scheibe sah das schon besser aus. Ich befand 1,2 mm, sprich eine 1mm Scheibe und eine 0,2 mm Scheibe für ideal, da 1,3 mm definitiv zu viel waren. Mit dem Flankenspiel verhielt es sich ganz ähnlich.

 

 

"Who ordered the Whoop Ass Fajitas?"

Dieses Mal montierte ich die Achse mit dem Schubrohr und den Streben um sie am Stück zu lackieren. Auf diese Weise können alle Schrauben und die Flanschverbindung am Triebling komplett überlackiert werden. Davon gibt es keine Bilder, das war mir in der improvisierten Lackierkabine zu schmutzig und so wirklich aussagekräftig ist so eine Aufnahme nicht. Die Grundierung ist zudem giftig und mit Atemschutzmaske und Gummihandschuhen fotografiert es sich einfach kacke.
 

And now to something completely different.....

Der Einbau des endschweren Brockens (Achse, Schubrohr, Streben) war nur mit ordentlich Mannschaft zu packen. Ich brauchte vier Helfer um die komplette Achseinheit aus meiner Werkstatt, einen steilen Hang hinauf und um die Garage zu tragen. Zum Glück erklärten sich 4 Freunde bereit mir zu helfen, denn mit fünf Mann müsste das zu stemmen sein. Es war trotzdem eine Schweinemaloche und es hätte auch nicht ein Händepaar weniger sein dürfen. Alle wussten wie man anpackt und mit  Teamgeist und Spucke rückten wir das Monster unter die Mühle. Da es in Strömen regnete gibt es nur das eine Bild auf dem drei Personen zu sehen sind.

Die lackierte, überholte und "verlängerte" Achse ist wieder daheim. In erstaunlich kurzer Zeit montierten wir die Antriebswelle und das Schubkugelgehäuse.  Der Panhardstab, die Stoßdämpfer und der Stabilisator folgten sogleich. Das ging mit der qualifizierten Mannschaft, die zudem die Prozedur vollständig kapiert hatte, in Rekordzeit. Werkzeugreichung und an jeder Ecke ein sprachgesteuerter Wagenheber Typ "Mensch" sei Dank.

You can not beat human motivation.

Das ist einfach so und kein noch so modernes Unternehmenskonzept kann eine gut eingespielte und engagierte Mannschaft ersetzen bzw. "outperformen", wie diese Unternehmensberater neuerdings zu sagen pflegen. Jedenfalls haben die von echter Teamarbeit meistens keine Ahnung.

"High five" würde ich sagen, ein zünftiges Erdinger dunkel ist da genau das Richtige. Selbstverständlich wurde der Einbau gebührend gefeiert und natürlich gab es auch anständig Futter. Nach der Schwerstarbeit hatten alle tüchtig Kohldampf. So etwas macht mir immer wahnsinnigen Spaß und mein Dank an alle starken, fleißigen Helfer, die bereit waren sich derart einzusetzen.

 Danke Jungs !!!

 

Aber ganz fertig ist der Unimog damit noch nicht, auch wenn ich das mir in dieser Phase der Umbauaktion aus tiefstem Herzen gewünscht habe. Von nun an ist es nur noch "Macherarbeit", denn der interessante Teil ist abgeschlossen. Die neuen Dichtungen für die Achsschenkelbolzen gehören so montiert, wie auf dem Bild gezeigt. Ich hatte ein wenig Probleme die Ringe in ihren Sitz zu treiben, jedoch mit ein wenig Geduld und mehr Mehrzweckfett klappte das schließlich. Die Antriebswellen gehen vergleichsweise einfach rein.
Die Achsschenkel sind so eine Sache für sich. Zuerst darf man keinesfalls die Lagerhälften vertauschen, da diese nur zu einem einzigen Schenkel passen. Zudem ist die Montagereihenfolge des unteren und des oberen Lagers zu beachten. In meinem Fall war eine Seite falsch montiert worden, ohne das die von außen ersichtlich war. Mein Vorgänger hatte eine Lagerrolle des Nadellagers vergessen und die Gleitscheibe unter dem Lager, statt über dem Lager eingebaut. Außerdem hat er die Stufenscheibe am oberen Achsschenkelbolzen schlicht ausgelassen. Ich mache das aber endlich richtig.
Zuerst "hängt" man den Schenkel am oberen Lager ein und lässt ihn "baumeln". Dann kommt das untere Lager, die Verteilerscheibe, der Gleitstein, das Nadellager mit 51 Rollen und der Abstandsring auf den unteren Achsschenkelbolzen. Mit einem Gummihammer geht das problemlos. Dann steckt man den Bund aus Lager und Nadellager in die Nut des Achsschenkelbolzens. Wenn das nicht sofort passt, hilft auch der vorsichtige Einsatz des Gummihammers. Es folgt die Montage der Halbschalen mit den Dehnschrauben.
Das obere Stirnrad des Vorgeleges wird mit einer zentralen Bolzenschraube gehalten. Diese ist mit reichlich Loctite "hochfest" zu sichern, da sich das Teil gerne löst und dann großen Schaden anrichtet. Bei meiner Achse ist dies irgendwann mal geschehen und der Schaden wurde nur behelfsmäßig repariert. Ja, es hat 25.000 km gehalten, ohne das irgend etwas auf diesen Mangel hingedeutet hätte. Folglich könnte man das auch als "ausreichend" bezeichnen. Ich verbaue auf der entsprechenden Seite ein neues Lager und ein neues Zahnrad. Darauf ist unbedingt auf das korrekte "Einrasten" der Kupplung zu achten. Auch hier handelt es sich nämlich um einen häufig gemachten Fehler. Dieser ist aber gut zu erkennen, wenn man den Abstand der Verschleißscheibe auf der Innenseite des Achsschenkels überprüft. Hier kommt ein besonderer Dichtring zum Einsatz. Dieser dichtet sowohl radial als auch axial und sollte selbstverständlich an der Scheibe der Gelenkwelle anliegen. Auch darf der Distanzring zwischen oberem, großen Kugellager und der Tasche im Achsschenkel nicht fehlen. Diese ist um die 4,2 mm tief und das Gegenstück am Vorgelege ist etwa 18,2 mm tief. Das Lager ist genau 22 mm stark und daher braucht man einen Distanzring um die 0,4 mm. Die Löcher der großen und starken Achsschenkelschrauben dichtete ich von hinten mit Atmosit vollständig ab. Da kommt man gut mit dem Finger in das Gewindeloch.
 Die Montage des Vorgeleges mit dem äußeren, oberen Wälzlager im Gehäuse, geht erstaunlich einfach und die meine Befürchtungen mit dem Zapfen des Stirnrades die Lagerwalzen aus dem Käfig zu drücken, haben sich nicht bestätigt. Mit ein wenig Gefühl "flutscht" das zusammen. Wenn das Vorgelege einmal auf den Außenringen der Kugellager sitzt, hilft wieder einmal der Gummihammer, um es vollständig aufzuschieben. Die Teillackierung am Fahrzeug funktionierte ebenfalls prima. Neue Bremsleitungen und neue Bremsschläuche sind bei so einer Aktion Pflicht.
Endspurt und höchste Zeit, dass die ganze Schrottsammlung aus meinem Keller wieder ans Fahrzeug kommt. Die Bremsanlage wurde von unten gefüllt und herkömmlich von oben entlüftet. Das klappte auf Anhieb. Das Ende naht und die Probefahrt steht unmittelbar bevor. Jetzt sind es nur noch Augenblicke bis...

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Feddisch !!!

Nach gut zwei Monaten Feierabendbastelei, einem nicht zu verachtenden körperlichen Einsatz und um einige Euros ärmer,  zog ich die letzten Bolzen fest.

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Resümee

Ja, nun besitzt der Ullimog die schnelle Achse und läuft damit illegale 110 km/h nach Tacho. Was aber hat der Achsumbau nun unterm Strich gebracht? Was sind die wirklichen Vorzüge des erbrachten Einsatzes? Die Antwort fällt etwas komplexer aus und daher möchte ich zunächst etwas Abstand nehmen und dazu auch mal ein paar hundert Kilometer Erfahrung auf diversen Strecken sammeln. Ich schloss die Arbeiten am Ullimog in den ersten Tagen unseres Sommerurlaubes ab, der zeitlich durch die Ferien der Kindertagesstätte von Josefine fixiert ist. "Komm wir fahren mit dem Unimog weg" schlug Ulli vor. "Ok, aber nicht allzu weit und in den Norden" entgegnete ich. "Nach Rügen wollte schon immer mal und dann könnten wir auch unsere Freunde auf dem Weg besuchen" schlug ich vor. "Prima, ich packe und Du guckst den Unimog durch und baust für die Fine noch ein größeres Bettchen und morgen fahren wir ab" freute sich Ulli. Die Probefahrt der neuen Achsen ist also organisiert.
Ich schreibe diese Zeilen nun irgendwo am nördlichsten Ende der größten Insel Deutschlands, nach einem sonnigen Tag mit Sandburgen an einsamen Stränden bauen und reichlich lokale Fischspezialitäten zum Dinner.
Die größte Menge an positiver Energie erhalte ich, wenn ich mich an den schönen Teil der Arbeit zurück erinnere. Dieser klassische Maschinenbau und die Herausforderung mit den nicht  benötigten Sonderwerkzeugen sind definitiv der wertvollste Lohn dieses Umbaus.
An zweiter Stelle steht die Sicherheit, die mir die nun gänzlich selbst überholte Achse bietet. Jede gekaufte und noch so tolle und kürzlich restaurierte Achse enthält Unbekannte, möglicherweise Kompromisse, die der Käufer nicht wissentlich eingehen würde. Nur wenige Monteure sind in Wahrheit so "pingelig", wie sich der Kunde das unter Umständen wünscht.  Unsere Ullimog-Achsen sind jetzt im Prinzip Baujahr 2014 und haben 0-Betriebsstunden. Ich persönlich betrachte sie daher als neuwertig.
Auf dem dritten Rang sehe ich die neuen Eigenschaften, sprich die geänderte Übersetzung des Antriebes. Für viele sind diese Eigenschaften der einzige Grund für den Umbau. Die 23:9 Achse passt tatsächlich besser zu dem Einsatzspektrum Asphalt. Das Geräuschniveau bei 85 km/h Reisegeschwindigkeit und 2300 U/min ist deutlich reduziert. Ein Nachteil hat die Sache damit allerdings: Nun ist das Abrollgeräusch der Reifen deutlich wahrnehmbar und meiner Einschätzung nach nun die lauteste Geräuschquelle. Die unregelmäßigen Schwebungen dieses Krachs empfinden Ulli und ich als unangenehm, zumindest im Vergleich zu dem nun "leisen" Motor. Aber wie leise ist er nun? In einem solchen Fall sind subjektive Wahrnehmung nicht ganz so aufschlussreich, wie man das sich wünschen würde. Das folgende Bild zeigt die Geräuschemission des Ullimog, gemessen in Kopfhöhe, in der Mitte des Fahrerhauses.

Das Ergebnis ist zuerst überraschend und die geringe Reduktion des Gesamtschallpegels von 81 dB(A) auf 78,8 dB(A) deckt sich nicht mit dem Eindruck, den ich gewinne. Dennoch ist die Messung plausibel und erklärbar. Das Sprachverständnis hat sich entscheidend gebessert, denn inzwischen müssen wir uns im Unimog nicht mehr schreiend unterhalten. Sogar die Sprachausgabe des Navigationssystems ist ansatzweise zu verstehen. Bei Frequenzen oberhalb 1000 Hz, wo sich die menschliche Sprache üblicherweise befindet, verzeichnet der Unimog eine stark reduzierte Schallabstrahlung. Dabei entsprechen 6 dB einer Halbierung des Schallpegels bei der jeweiligen Frequenz. Das Gesamtgeräusch ist mit nur wenig leiser als zuvor, auch wenn dies anders empfunden wird. Ein leises und komfortables Reisefahrzeug ist der Unimog auch mit der schnellen Achse nicht.
Der höhere Vortrieb und das höhere Achsdrehmoment oberhalb von 65 km/h hingegen, stellen sich gänzlich positiv dar. Entgegen der verbreiteten Ansicht wird ein Fahrzeug durch die längere Übersetzung nicht unbedingt und in jeder Situation träger. Für viele Steigungen auf den Autobahnen reicht nun der 7. Gang aus und das "Hinaufkriechen" im 6. Gang ist Geschichte. Bei kurzen Senken kann man auch mal ordentlich illegalen Schwung holen und dann ganz ohne Schalten im 8. Gang hinauf brettern. Diesen Vorzug hatte ich gründlich unterschätzt.
Ein bequemes "Mitschwimmen" mit den anderen LKWs ist nun ganz entspannt möglich. Der Ullimog kann mitunter sogar überholen.
Zu guter Letzt erreicht das Hauptgetriebe auf der Autobahn nur noch knapp 70°C. Sämtliche Probleme in diesem Zusammenhang sind also ebenfalls erledigt. Jeder Getriebeölkühler wird damit zu einer überflüssigen Fehlerquelle.
Was die ganze Angelegenheit nun gekostet hat, vermag ich nicht mehr zu sagen und irgendwie habe ich im Eifer des Gefechts auch den Überblick verloren. Dazu würde der von mir  genannte Betrag auch nicht im Geringsten den Kostenaufwand für die Änderung der Achsübersetzung beschreiben. Wenn man tatsächlich nur die Übersetzung ändern möchte, dann fallen nur die Kosten für die Radsätze, ein wenig Dichtmasse, diverse Distanzringe, zwei Stauchhülsen und Schraubensicherung an. Bei einer gleichzeitigen Komplettsanierung würde ich ganz grob und über den nassen Daumen einen zusätzlichen Geldbetrag zwischen €3000,- und €4000,- für Dichtringe, Lager und diverse Ersatzteile annehmen. Der Lohn sind zwei praktisch neue Achsen, die im Handel noch deutlich teurer sind. Alle finanziellen Aufwende zusammen genommen überschreite ich deutlich den Preis, den die professionellen Unimog-Ausrüster heute für den Einbau eines Claas-Splitgetriebes aufrufen. Ich habe da Angebote eingeholt und meine Angabe schließt alle nötigen Bauteile mit ein.
Hier existiert aber kein Kosten-Nutzen Verhältnis und wie gesagt, mich überzeugt das Teil nicht.

Nachwort

Angesichts des Umfanges der Dokumentation  halte ich die folgenden Zeilen für angemessen. Entgegen einer verbreiteten Ansicht handelt es sich hierbei nicht um einen Akt der schnöden Selbstdarstellung oder gar um einen Kompetenznachweis. Frei nach dem Motto: "Schaut her was ich für ein Schrauberass bin". Diese Vorwürfe muss ich mir recht regelmäßig, wohl meinem Webauftritt geschuldet, digital anhören. Ich ersuche meine Kritiker eingehend nicht von sich auf andere zu schließen.
Ich möchte mit der vorangegangenen Wissenssammlung inspirieren, ermutigen und den Unbedarften zu solchen Kraftakten anstiften. Hier geht es um ein Lebensgefühl und darum sich mit Hausmitteln auch größeren Herausforderungen zu stellen. Die Begeisterung, die emotionalen Wallungen und ein wenig Schaffensdrang will ich vermitteln. Ich will zeigen, dass eingehende Beschäftigung mit der Materie, handwerkliche Arbeit, Kreativität und ein Bildungsbürgerliches, akademisches Herangehen an die Problematik, durchaus noch ihren Platz in dieser Welt haben und eine Unimog Modifikation nicht unbedingt ein riesiges Budget erfordert. Natürlich spielt hier auch mein inniges Verhältnis zu allem technischen und mechanischen eine entscheidende Rolle. Auf diese Weise entsteht zu dem kalten und metallischen Gegenstand, der sich Auto nennt, ein ganz anderes und höheres Verhältnis, welches sich nicht auf den schnöden Geldgegenwert beschränkt. Alldem will ich Ausdruck verleihen und nicht zuletzt beabsichtige damit auch das Hobby Unimog aus dem Spektrum Mittelsstands-Millionär zum gewöhnlichen Angestellten und Lohnempfänger zu tragen.

Klar, gibt es auch die anonymen Gratis-Internetabgreifer, die in den gezeigten Bildern und Schriften nur "Jagdbeute" sehen. Nichtsdestotrotz veröffentliche ich die Angelegenheit vorsätzlich und appelliere für an eine andere Wertschätzung des Beschriebenen. Eine kleine Prise Eigennutz kann ich hierbei allerdings nicht verleugnen. So nötige ich doch den Leser recht effektiv sich mit einigen Ausbrüchen meines Humors auseinanderzusetzen.
Der Großteil des gesammelten Gedankengutes stammt  aus dem Mercedes-Werkstatthandbuch für den Unimog und dem eingehenden Absurfen von spezifischen Internetforen. Dabei möchte ich besonders das Unimurr-Forum hervorheben. Einige Tricks waren mir bekannt, weitere habe ich mir schlicht selbst ausgedacht und wiederum andere haben mir die Profis verraten.


Aus Höflichkeit möchte ich darauf hinweisen, dass jede Verwendung dieser Seite gänzlich eigenverantwortlich erfolgt.
Sollte ich einen gravierenden Fehler gemacht haben bitte ich dennoch um Nachricht.

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